Aus Kleiner Kurs in Marketing (XV, 1993)
Gute Marketingleute sind Kaufleute
Der Einsatz der Instrumente des Marketingmix kostet Geld. Je nach Markt beträgt der Marketingaufwand in der Regel zwischen 10% und 30% vom Umsatz. Extreme in beide Richtungen sind möglich. Für Produkteinführungen kann das Marketing vorübergehend den gesamten Umsatzerlös absorbieren. Große Unterschiede bestehen von Branche zu Branche. Verständlich ist, daß die Ausgabebereitschaft dort am sinnvollsten und am höchsten ist, wo junge Märkte entstehen und die prozentualen Deckungsbeiträge der Produkte noch nicht nach Stellen hinter dem Komma berechnet werden.
Wie hoch aber muß der Marketingaufwand im konkreten Fall für das nächste laufende Jahr oder für die Einführung eines neuen Produktes innerhalb einer bestimmten Zeitperiode sein, um das gesetzte Ziel zu erreichen? Hier beginnt die Erörterung des Budgets, der Finanz-Seite des Marketingplans. Zur Bestimmung des richtigen Budgets sind Bezugsgrößen erforderlich. Sie sind Erfahrungssätze des eigenen Unternehmens und eigener Produkte, aber auch fremder Produkte, Unternehmen und Märkte.
Im einzelnen sind folgende Orientierungen für die Budgetierung gebräuchlich, wenn auch nicht in jeder Marketingabteilung üblich:
- Nach dem in zurückliegenden Zeitperioden erreichten und in Zukunft erwarteten Umsatz in Mark oder Absatz in Stück. Dies ist die übliche Budgetierungsmethode für ein bewährtes und immer noch erfolgreiches Produkt. Sie kann eine reine Fortschreibung der bisherigen Entwicklung darstellen.
- Nach mehr oder weniger konkreten bisherigen Erfahrungen im Verkauf und Marketing vergleichbarer eigener Produkte oder solcher des Wettbewerbs. Dies ist die Regelsituation in vergleichsweise jungen und innovativen Märkten, die ein hohes Maß planerischer Kreativität erfordert.
- Nach der strategischen Bedeutung des zu planenden Produktes oder Projektes für das Unternehmen – bis hin zur Devise, daß jeder Marketingaufwand gerechtfertigt ist. In diesem Fall kann ein zu korrigierendes historisches Versäumnis im Marketing, z.B. der Verlust traditioneller Marktführerschaft, oder ein Aufbruch in neue Produktnutzen-Dimensionen die Grundlage unserer aggressiven Budgetierung sein.
Abhängig vom jeweiligen Ziel haben hier Marketingmann und Controller ein weites Betätigungsfeld, die adäquate Budgetierungsmethode und das zielgerechte Budget zu finden. Grundsätzlich gilt, daß ein möglichst konkret ausgearbeiteter Marketingplan und das auf seiner Grundlage errechnete Budget einer vagen Summierung ausschließlich persönlicher Erfahrungen vorzuziehen ist.
Deshalb ist angesichts der finanziellen Bedeutung für das Geschäftsergebnis des Unternehmens folgende Vorgehensweise angebracht und von Fall zu Fall zu ergänzen oder zu verfeinern.
Fünf Schritte guten Wirtschaftens
Schritt 1: Die Verkaufsschätzung Als vorläufige Schätzung hilft sie in erster Annäherung die direkten und indirekten Kosten pro zu verkaufender Einheit zu bestimmen und so eine Vorstellung vom Verkaufspreis zu ermitteln. Voraussetzung ist natürlich die Ermittlung des Gesamtaufwands für die Herstellung des Produkts im Budgetjahr, welcher durch die Zahl der Verkaufseinheiten dividiert wird.
Schritt 2: Der Deckungsbeitrag Angenommen die Herstellungskosten pro Einheit betragen DM 4,20 und der in erster Annäherung angenommene Verkaufspreis ist 10 Mark. Wird dieser in einer Index-Rechnung gleich (100) gesetzt, ergibt sich für unser Produkt folgenden Deckungsbeitrags-Rechnung:
- Verkaufspreis (100)
- Herstellungskosten ( 42)
- Deckungsbeitrag I ( 58)
- Marketing ( 18)
- Deckungsbeitrag II ( 40)
- Sonstige Kosten ( 22)
- Deckungsbeitrag III ( 18)
Der Deckungsbeitrag III entspricht in dieser vereinfachten Modellrechnung dem Gewinn pro Verkaufseinheit vor Steuern.
Schritt 3: Das Marketingbudget Das verfügbare Marketingbudget ergibt sich aus der Multiplikation der erwarteten Verkaufseinheiten mit dem DM-Wert, welcher dem Index (18) entspricht. Bei einem Verkaufspreis von 10 Mark steht bei einem Verkauf von einer Million Einheiten ein Budget von 1,8 Millionen zur Disposition.
Schritt 4: Die Verfeinerung Die so ermittelten Verkaufs- und Budgetzahlen werden mit anderen Bezugsgrößen, z.B. Wettbewerbsinformationen über vergleichbare Produkte verglichen und zunehmend verfeinert. Am Schluß dieses Schrittes steht eine erste zielentsprechende und wirtschaftlich vertretbare Größe für das gesuchte Marketingbudget.
Schritt 5: Die Allokation Ist die Größenordnung des Marketingbudgets bestimmt, kann die wirksame Zuordnung auf die geplanten Instrumente, die Allokation, beginnen. Hilfreich ist hier das Bemühen, „von der anderen Seite her“ den Marketingaufwand zu ermitteln, quasi „induktiv“, vom einzelnen Instrument her: Was kostet der zielentsprechende und wirtschaftlich vertretbare Einsatz des einzelnen Instruments und schließlich die Summe aller geplanten Instrumente?
Induktive oder deduktive Budgetplanung?
Die bisher besprochene Methode der Budgetplanung kann man „deduktiv“ nennen. Hierbei wird zuerst ein Gesamtbudget entwickelt, das nachträglich auf die einzelnen Instrumente des Marketing aufgeteilt wird. Bei der zu unterscheidenden „induktiven“ Methode werden die marketingstrategisch wichtigsten Instrumente zunächst einmal ohne Restriktionen so geplant, daß sie zielgerecht wirksam werden können.
Beispiel: Im Falle des Instruments Media ist eine Minimum-Frequenz durch die Budgethöhe M so sicherzustellen, daß in der Flut konkurrierender werblicher Informationen die geplante Zielgruppe Z erreicht wird.
Parallele Ermittlungen werden für die restlichen Instrumente, z. B. Verkaufsförderung (V), Handelsrabatte (H) und Öffentlichkeitsarbeit (Ö) angestellt. Falls die Summe der so induktiv ermittelten Minimum-Aufwendungen für die geplanten Instrumente M + V + H + Ö die Größenordnung des bis Schritt 4 deduktiv errechneten Marketingbudgets wesentlich übersteigt, ist das bisher angedachte Mix der Instrumente in Frage zu stellen und nach neuen Wegen zum Erfolg zu suchen.
Im folgenden gehen wir davon aus, daß wir für Media ein Budget von 1,5 Millionen errechnet haben. Da, wie in den Schritten 1-4 errechnet, insgesamt 1,8 Millionen für das gesamte Marketing zur Verfügung stehen, können die restlichen Instrumente lediglich 0,3 Millionen beanspruchen. Ihre Berechnung ergibt jedoch, daß zur Gewinnung einer ausreichenden Distribution allein mindestens Handelsrabatte von 0,5 Millionen erforderlich sind. Folglich würde schon die Planung zweier Instrumente, Media und Handelsrabatte, zu einer Unterdeckung von 0,2 Millionen führen.
Hier ist beispielsweise zu prüfen, ob in einem ersten Schritt, zugunsten eines sofortigen Aufbaus einer umfassenden Distribution, auf einen in den 1,5 Millionen Media enthaltenen zweiten TV-Durchlauf verzichtet werden kann. An seine Stelle könnte eine weniger aufwendige Kombination von Funk und Verkaufsförderung treten.
Eine weitere mögliche Überlegung: Ist es sinnvoll, den errechneten Media-Aufwand auf eine Region zu konzentrieren, hier mit einer vollen Distributionsabdeckung Verkäufe in ursprünglich angedachter nationaler Höhe zu erzielen und die übrigen Regionen später, zeitlich versetzt, mit vergleichbaren Plänen zu beglücken („Roll out-Einführung“).
Das angedachte Beispiel zeigt, daß sich die beiden Methoden der Budgetplanung, induktive und deduktive Vorgehensweise, offenbar ergänzen und eine Verifizierung des Ergebnisses der jeweils anderen Methode erlauben. Bei welcher Methode das Schwergewicht liegt, richtet sich nach der Aufgabenstellung. Im Falle der ausschließlichen Optimierung eines schon am Markt erprobten Budgets ist die vom einzelnen Instrument ausgehende Bestimmung induktiver Art sicherlich sinnvoll. Das heißt, der als erfolgreich bekannte Aufwand für die einzelnen Instrumente wird lediglich fortgeschrieben.
Das Marketingbudget ist die Summe dieser Aufwendungen. In der Regel ist hier nur eine Optimierung des Mix erforderlich, eine deduktive Neubestimmung des globalen Budgets ist überflüssig.
Direktes „Above the line spending“
Einer Frage gebührt sicherlich Raum: „Gibt es Instrumente im Mix, die den Verbraucher direkt und damit wirkungsvoller und solche die ihn lediglich indirekt, quasi mit Verlust an Wirkungsgrad ansprechen?“
Im ersten Fall sprechen wir von „above the line spending“, im zweiten von „below the line“. In der Tat stellt ein dem Handel gegebener Verkaufsförderungsrabatt nicht sicher, daß er dem Verbraucher preislich zugute kommt und damit bei angenommener Preiselastizität unseres Produkts die Verkäufe erhöht.
Ein Beispiel für „below the line spending“, quasi ein Spending minderer Qualität im Hinblick auf das beabsichtigte Teilziel, durch einen vorübergehend niedrigen Preis etwa Probierkäufe zu erzielen. Sicherlich ist, so gesehen, dem „above the line spending“ der Vorzug zu geben. Es hat die unmittelbare Chance, dem Verbraucher zielgerecht zugute zu kommen.
Als besonders wichtiges Instrument ist hier die Klassische Werbung zu nennen und in der Tat gilt bei bedeutenden werbungtreibenden Unternehmen mit Recht immer noch der Grundsatz, einen möglichst hohen Prozentsatz des Marketingbudgets, möglichst die Hälfte, „above the line“ wirksam werden zu lassen.
Eine noch direktere Form der Kommunikation mit der Zielgruppe ist das immer bedeutsamere Direktmarketing, das mehr und mehr auch die elektronischen Medien nutzt. Bei Unternehmen mit geringeren Budgets ist besonders beachtenswert, daß die „Hilfskosten“ des Marketing in Grenzen bleiben. Wenn die Produktion eines 30-Sekunden-Spots durch die Profilierungssucht eines Marketingleiters 0,8 Millionen Mark verausgabt werden, bei einem gesamten Marketingbudget von 1,8 Millionen, ist sicherlich Gefahr in Verzug. Verständlicherweise eine kaufmännisch nicht zu vertretbare Ausgabe, weil das Verhältnis zwischen direkt und nur indirekt wirksamen Ausgaben, nämlich für die Produktion, unstimmig ist.
Ähnliche Erwägungen sind selbstverständlich für die Entwicklungs- und Produktionskosten anderer Medien, für Marktforschung jeder Art u. ä. anzustellen. Überflüssig zu sagen, daß auch die Gehälter der Marketingmannschaft nichts im Marketingbudget der von uns vertretenen Art zu suchen haben.
Fixe oder flexible Budgets?
Die starren Budgets der Wirtschft früherer absolutistischer Staaten haben bis in unsere Zeit hinein nicht allzuviel an Bedeutung verloren. Nicht nur in der Finanzplanung unseres heutigen Staates, sondern auch bei bedeutenden Wirtschaftsunternehmen. Dies beweist einerseits ihre Berechtigung, zum Beispiel in puncto Planungssicherheit.
Andererseits aber können starre Budgets unternehmerisches Handeln einschränken, im betrieblichen Marketing ebenso wie in der umfassenden Volkswirtschaft. Ein erfolgreicher Grundsatz wirtschaftlichen Handelns ist, sein Geld dann und dort auszugeben, wo die Nachfrage besonders groß ist. Dann ist, empirisch belegbar, der Effekt einer Werbemark am höchsten.
Eine solch flexibel sich anpassende, zyklische Ausgabenpolitik ist besonders in den Märkten wichtig, die stagnierende Tendenzen zeigen.
Ein Extrem flexibler Budgetpolitik ist das „Budget im Kopf des Unternehmers“. Er nutzt die sich bietenden Verkaufsmöglichkeiten – ideal gesehen – intuitiv, sich jederzeit und ohne zeitliche Verzögerung einer neuen Situation anpassend. Diese Methode setzt Omnipotenz des Unternehmers voraus und birgt, scheinbar widersprüchlich, die Gefahr zentralistischer Planung. Denn Mitarbeiter eines so geführten Marketing fühlen sich wenig animiert, flexibel und kreativ über den besser lohnenden Einsatz neuer Marketinginstrumente oder ihre Umverteilung nachzudenken.
Das Ergebnis ist eine nur scheinbar flexible Budgetpolitik. Eine organisierte Methode flexibler Budgets bietet hier Abhilfe, das „spending at case rate“. Hier paßt sich das insgesamt verfügbare Budget automatisch einem sich in der Planungsperiode ändernden Absatz des Produkts an.
Im Falle unseres obigen Beispiels wird DM 1,80 pro verkaufter Einheit für Marketing ausgegeben. Entwickeln sich die Verkäufe höher als geplant, erhöht sich das Marketingbudget um DM 1,80 pro zusätzlich verkaufter Einheit. Schon erfolgreich genutzte Instrumente können kurzfristig verstärkt eingesetzt werden oder zusätzliche Instrumente kommen zum Zuge.
Controller und Topmanager stehen dieser Art flexiblen Spendings zuweilen kritisch gegenüber. Denn bei Verkäufen unter Plan müßte konsequenterweise Geld an die Unternehmenskasse zurückfließen. Dies aber ist nicht immer möglich, da aufgrund langer Vorbereitungszeiten im Marketing finanzielle Verpflichtungen eingegangen worden sind.
Einen durchaus praktikablen Ausweg stellt die Bildung einer Reserve im Budget dar, je nach Schwankungsbreite der Verkäufe in Höhe von 3, 5, 10% oder mehr. Sie kann bei planmäßigen oder höheren Verkäufen im Laufe des Budgetjahres sukzessive eingesetzt werden. Bei Verkäufen unter Plan wird sie spätestens am Ende des Budgetjahres dem Deckungsbeitrag zugeführt.
Marketingausgaben – Aufwand oder Investition?
Wir sind bisher stillschweigend davon ausgegangen, daß die Ausgaben für Marketing automatisch „Aufwand“ sind, wie etwa die für das Produkt verwendeten Rohstoffe. Und sicherlich ist es richtig, die Marketingausgaben für ein Produkt den im gleichen Zeitraum verkauften Produkteinheiten zuzurechnen.
Jedoch ist bei der Planung der Budgets folgender Jahre davon auszugehen, daß gutes Marketing, z. B. eine überzeugende TV Werbekampagne, über die Ausstrahlungsperiode hinaus wirkt. Das heißt, in der nächsten Planungsperiode mag eine Reduzierung der Ausgaben für TV zugunsten des preisgünstigeren Mediums Funk oder gar zum Vorteil einer vorübergehenden Erhöhung des Deckungsbeitrags sinnvoll sein.
Trotz dieses Sachverhaltes werden den Ausgaben für Marketing nur in Ausnahmefällen bilanziell aktiviert und in Form von Ausschreibungen auf mehrere Planperioden verteilt. Eine solche Ausnahme kann der Kauf einer Marke darstellen. Sie rentiert sich mit dem laufenden Verkauf ihrer Produkte, vergleichbar mit der Investition in eine Maschine und der auf ihr produzierten Einheiten. Entsprechend sind die Ausgaben für eine die neue Marke und das Produkt aufbauende Einführungskampagne auch bilanziell aktivierbar. Man erwartet zurecht, daß die Startinvestition in den Folgejahren Erträge abwirft. Diesen jährlichen Erträgen stehen dann die Abschreibungen unserer aktivierten Marketinginvestition gegenüber.
Quelle: H.D. Maier „Kleiner Kurs des Marketing“ in „Der LöwenAnteil“
Natürlich ist dieser Fachartikel uralt! Habe ihn soeben mal wieder überflogen. Meine Schlussfolgerung: Mancher Marketing-Verantwortliche täte gut daran gerade heute, angesichts der ungeheuren digitalen Vielfalt von Kommunikationsinstrumenten, sein Budget anhand der hier aufgezeigten Regeln zu überprüfen. Ein wesentlich höherer Wirkungsgrad seines Werbeinvestments ist ihm sicher. HDM
Natürlich ist dieser Fachartikel uralt! Habe ihn soeben mal wieder überflogen. Meine Schlussfolgerung: Mancher Marketing-Verantwortliche täte gut daran gerade heute, angesichts der ungeheuren digitalen Vielfalt von Kommunikationsinstrumenten, sein Budget anhand der hier aufgezeigten Regeln zu überprüfen. Ein wesentlich höherer Wirkungsgrad seines Werbeinvestments ist ihm sicher. HDM