Wie aus Tausendundeine Nacht: Die wunderbaren Reyes Magos de Oriente in Dénia
Hier eine kleine aktuelle Foto-Reportage. Denn Fotos kommunizieren schneller als lange Texte, meint der Fotograf …
In Spanien ziehen am Abend des 5. Januar die Heiligen Drei Könige Melchior, Kaspar und Balthasar (Los Reyes Magos Melchor, Gaspar y Baltasar) durch die Städte und Pueblos. Die Kinder sammeln dann begeistert und eifrig die von ihren Thronwagen geworfenen Süßigkeiten.
Die darauf folgende Nacht hat sich seit dem 14. Jh. als die Nacht der Geschenke für Kinder entwickelt. Im nahen Alcoy, um die siebzig Kilometer im Landesinnern nach Westen, gibt es dann 1866 den ersten Cabalgata de Reyes (Dreikönigs-Umzug). Diese Tradition wird auf der ganzen Halbinsel und in den südamerikanischen Ländern übernommen.
Dénias Weihnachtsbeleuchtung zeigt heuer u. a. die Reyes Magos. Der Katamaran ersetzt die Kamele
Früher stellten die Kinder vor dem Schlafengehen, in Erwartung der sie nachts mit Geschenken beglückenden Reyes, Turrón und Sherry vor die Tür. Für die genügsamen Kamele Wasser und trockenes Brot.
Die Tradition auf neuestem Stand
Turrón ist eine meist sehr süße weihnachtliche spanische Köstlichkeit aus Mandeln, Honig, Zucker und Ei. Suchterscheinungen sind für Anfällige nicht auszuschließen.
In den letzten Jahren hat sich die Beschenkung zunehmend zu Weihnachten hin verlagert. Die Faszination der Magos aber bleibt. Ein Trend zur Trivialisierung des Drumherums ist unverkennbar. Im Umzug ist zweckmäßig Aufblasbares auf dem Vormarsch.
Höchst authentisch sind sie: Die Männer und Frauen vom Cruz Roja in Dénia. Auch heute Abend sind sie zur Stelle und für HDM die Könige im Hintergrund des Calbagata. Die Silvesternacht mit ihren feuerwerksbegeisterten Landsleuten haben sie soeben heil überstanden. Ich habe ihnen das erste Bild versprochen. Aquí está!Zur Mittelmeer-Stadt Dénia wählen die Reyes aus dem Morgenland den idealen Weg übers Wasser – ihr Katamaran ist seetüchtigSchöne Wesen betreten als erste valencianischen BodenDann erscheinen die Reyes selbstNoch etwas ungehalten …… und schläfrig von der langen Seefahrt vom anderen Ende des MittelmeersUpps, wir sind ja daDann – Fotograf in SichtDann sogar der Alcalde …… mit seinem beträchtlichen städtischen Begrüßungskomitee (mein Frisör Paco sagt, die Stadtverwaltung um den Bürgermeister müsste halbiert werden)
Selbst der stolze Hausberg Montgó hat seine Krone aufgesetztWährenddessen sind die zeremoniellen Vorbereitungen in vollem Gange: Die Musikanten des Okzident …… und die Herrschaften aus Afrika und OrientDie Dulces stehen kübelweise bereit
Diese wunderbaren schwarzen Behältnisse werden in unterschiedlichsten Größen für alle Zwecke und Inhalte benutzt. Ob auf dem Bau, in der Landwirtschaft oder im Haushalt, für Bröselndes, Flüssiges oder Festes.Jetzt aber heißt´s warten – die Könige am Hafen müssen in die heute nur mühsam herannahende Umzugskarawane eingefädelt werdenGenug Zeit zum Einstudieren der Gestik: Melchor hat zweifellos einen grandiosen Ausblick auf Montgó, Stadt, Hafen und MeerAuch der Kini-gleiche Gaspar Das Lächeln der Begleitung des Baltasar im Hintergrund macht die Wartezeit für den Fotografen erträglich.
Wehmütig denkt er an die Zeiten als Autoren im spanischen Internet, ohne irgendwelche Bestrebungen der Diversidad-Bewegung zu verletzen, erklären durften „Melchor encarnará a los europeos, Gaspar a los asiáticos y Baltasar a los africanos“.
Diese Betrachtungsweise hatte sich in Spanien im 15. Jh. durchgesetzt, zuvor spielte das Alter der Könige eine differenzierende Rolle.Heute …Es dunkelt verdächtig und der Kaspar-Kini ist immer noch in WartestellungMelchor tambiénDie Miene des Balthasar verdüstert sichDie Wartezeit der Zielgruppen am Wegesrand zieht sichErwartungsfroh, geduldig und höchst diszipliniert die Schlangen links und rechts des Weges durch den sie kommen werdenAm Ende der langen Schlange steht alles bereit, auch der Mond strahlt (beinahe) in voller GrößeDann kommt Bewegung aufKarnevalsähnliche Vorboten des Cabalgata de Reyes Umzugs werden sichtbarTraditionelle Stelzenläuferinnen beeindrucken …… und lächeln unermüdlich, nicht nur für den FotografenRey Baltasar, jetzt endlich auf seinem Thron angekommen, erkennt den Fotografen wieder, wir haben am Hafen gemeinsam gewartet – das verbindetDer Shootingtermin entschädigt und erfreut unzählige Familien …... y los perros tambiénDann ist der schöne Spuk vorbei, so schnell wie er langsam begonnen hatSchön war´s wieder mal – noch ein letztes Lächeln des Orients unter lokalem SchutzAuf dem Weg nach Hause kommen wir am ehemaligen Fischerviertel vorbei und erinnern uns an die Traditionen unserer ehemaligen Fischerstadt DéniaIch krame dann noch ein Foto vom Calbagata 2019 herausUnd von 2020…
Wir erinnern uns noch an die Tradition des „Roscón de Reyes“: Auf einem Kranz aus Hefeteig sitzt eine Papierkrone. Im Kuchen sind eine Königsfigur und eine Bohne eingebacken. Wer den König findet, bekommt die Krone aufgesetzt. Der Finder der Bohne muss den Kuchen bezahlen. Muy facil.
Perdon, letzte Meldung, bei Aldi España heute im Sonderangebot
Die schmale Straße westwärts von Sète am Marseillan Plage zwischen Étang de Thau und Mittelmeer hat ihre Ursprünglichkeit längst verloren. Jetzt aber, im April, sind wir immerhin die einzigen Reisenden. Neue auf dem Reißbrett minitiös geplante Straßen, wie auf Schienen links und rechts steril streng begrenzt, und unzählige Parkplätze lassen die touristische Wucht der Ferienmonate erahnen. Selbst jetzt wagt man kaum anzuhalten wenn ein Motiv den Fotografen lockt.
Das hindert uns aber nicht, den Augenblick mit den ersten rosa Flamingos, wenn auch im ungünstigen Gegenlicht, aufgeregt zu erwarten: Wie sie im eleganten Gleichschritt das begehrte „Kleinzeug“ unermüdlich wählerisch selektierend sabbern!
Stelzenläufer sind weniger spektakulär. Sie sind Einzelgänger und fischen gezielt, eindrucksvoll grazil und stolz lohnende größere „Einzelteile“ aus dem Süßwasser
Vorbei an Agde, Béziers, Narbonne und Perpignan ist es höchste Zeit die heute wolkenlosen Pyrenäen-Schönheiten bestmöglich zu identifizieren
Zugegeben, dies ist bei unseren heimischen Alpen einfacher: Hier die Zugspitze, östlich davon die Alpspitze etc.. Die Gipfel der Pyrenäen bilden für den flüchtigen Reisenden eher eine homogen erscheinende Gebirgslandschaft.Hier der Beweis: Links die Alpspitze und jeder Voralpenländler sieht sofort, obwohl nicht mehr abgebildet, westlich (d. h. rechts) Deutschlands höchsten Punkt und davor, schon drauf, den vorgelagerten Kleinen Waxenstein …Ein Halt im Pyrenäenort Céret im Tal des Tech lohnt. Oder sind wir denn in der Camargue …?
Ein weiterer Augenblick ungläubigen Erstaunens: Wir kriegen zur Mittagszeit, wenn auch am Katzentisch, mit ausdrücklicher Genehmigung des Patron, noch einen Espresso … obwohl schon für das nahe heilige französische Déjeuner gedeckt ist. Ansporn genug den Ort weiter zu erkunden.In einer kleinen Straße strahlt uns der Pic du Canigou (katalanisch Canigó) stolz entgegenDer heilige Berg der Katalanen ist ein ethnisches Bindeglied zwischen Frankreich und Spanien und auf dem Plakat natürlich noch schönerCéret hat sich, seit Pablo Picasso, Georges Braques und andere hier malten, den Ruf als bedeutender Pyrenäenort des Kubismus erworben. Vor allem zwischen 1910 und 1915 tauschten sich hiesige Maler mit den Kollegen und Freunden aus Montmartre aus und begründeten den Ruf.
Diese Anmerkung kann sich HDM nicht verkneifen: Gestern lese ich im spanischen El Pais „Ibiza quiere volver a ser la isla de los artistas“ … Dort hat man zwischendurch halt mal eine andere Marketing-Positionierung versucht, eine vermeintlich lukrativere. Ob Maler jedoch nach der Pfeife wankelmütiger Marketingmenschen tanzen und zurückkehren wird sich zeigen.Perdon für diese ungünstige Einschätzung, schönes Ibiza.Diese Hymne an den Olivenbaum steht vor Cérets Museum für Moderne Kunst. Hier finden sich u. a. Werke von Matisse, Picasso, Braque, Chagall und Miró.
Wohlgemerkt keine Hymne an den Kirschbaum, obwohl um Céret herum die ersten Kirschen der Republik geerntet werden. Das erste Körbchen erhält PR-trächtig der französische Staatspräsident – eine prompte Wiesn-Erinnerung an das heimische „o´zapft is“.
Die Kirschbäume fallen sogar zunehmend den billiger zu erntenden Pfirsichen zum Opfer. Hoffentlich wird kein Schweine-Zyklus draus, denn Bäume wachsen bei sich wandelnden Märkten langsamer als gierige Ferkel … (der geneigte Leser entschuldige den herben Vergleich)„Les ponts de Céret“, ein Gemälde von Vincent Bioulès, ist im Musée ausgestellt. Die Teufelsbrücke über den Tec (vorne, 14. Jh.) gilt als die älteste Bogenbrücke dieser Art und Größe.Wir interessieren uns heute mehr für die kleinere Kunst, die sich kontinuierlich aus dem Künstler-Renommé (durch eine kontinuierlich gepflegte Positionierung) des abgelegenen Pyrenäenortes entwickelt hat …Unser Auge gilt auch der ganz kleinen Kunst, die sich bescheiden und harmonisch in das Drumherum einfügtAuch die Müllbehälter profitierenFür HDM bemerkenswert ist die Vielfalt der Darstellung von KruzifixenIn der Église Saint-Pierre ergänze ich meine Kruzifix-Sammlung um ein besonders eigenständiges ExemplarDraußen ein „Mairie“ wie aus dem Bilderbuch … welche augenblickliche Assoziation könnte hier im Midi wohl entstehen?Trauriger Hunde-Augenblick abseits der großen und kleinen Kunst. Er (oder natürlich sie?) scheint sich für die kunstvollen Gourmandises zu interessierenRetour à la nature! Die schwer identifizierbare Pyrenäenkette bei Prats-de-Mollo-la-Preste an der Grenze zu KatalonienWir entscheiden uns zur Überquerung für den mäßig hohen Col d`Ares. Er spielt im Laufe der französisch-spanischen Geschichte eine bedeutende Rolle. Seit dem 30jährigen Krieg verläuft hier die Grenze zwischen beiden Territorien. Der Weg über den Pass geht als El Camí de la Retirada in die katalanisch-spanische Geschichte ein. Wenige Monate vor dem Ende des Spanischen Bürgerkriegs (1936 – 1939) wird Ende Januar bekannt, dass die Franzosen die Grenze öffnen. Hunderttausende fliehen über den Pass bis zur Schließung zwei Wochen später.Ungewöhnliche Wolken über einer für uns beinahe mystischen Landschaft
Erinnerungsmoment an die letzte „milde“ Überquerung im Februar 2019 durchs Valle de Baztan von Navarra aus. Es ist ganz schön kalt. In Ziga übernachten wir, die einzigen Reisenden weit und breit, bei Martintxo und seiner Frau im Gästehaus Aldekoa. Eigentlich haben sie noch gar nicht auf. Am frühen Morgen helfen wir ihm auf seiner Alm die Pferde zu füttern.
Jedoch zurück zum Col d`Arès:Vor der Grenze die Església Parroquial de Santa Cecília, ein Beispiel katalanischer Romanik. Sie hat bis zum Spanischen Bürgerkrieg zahlreiche Stürme jeglicher Art hinter sich gebracht und ist heute ein nationales Kulturdenkmal.
Fortsetzung folgt: Die Augenblicke der nächsten Folge spielen in Spanien. Dann enthüllen wir auch die Bedeutung dieser Plastikflaschen in unserem ersten größeren spanischen Pueblo Cervera.
Hier sind weitere Reise-Augenblicke zwischen Ambach, unserem Ziel Dénia im Land Valencia und später wieder zurück.
Anfang April, südwärts hin, bleiben wir zwei Nächte in Sète. Dort entdecken wir jedes Mal Neues, häufig scheinbar Belangloses. Über die bloße „Hafenstadt an der Mittelmeerküste Südfrankreichs“ hinaus, „… mit 43.858 Einwohnern die drittgrößte Stadt im Département Hérault in der Region Okzitanien, Hauptort und einzige Gemeinde des Kantons Sète.“ (Wikipedia)
Die bestimmende Lebensader: der Canal Royal de Sète
Unsere kleinen Beobachtungen beginnen häufig mit einem „un café s.v.p.„ direkt an der Straße
Schnell fühlt man sich mittendrin
Zwar mittendrin aber zuweilen vielleicht doch allein?
Ist dies ein erprobter Weg mit Abstand und Würde den Verlockungen der zahlreichen Pâtisserien zu entkommen? (Wie komme ich nur auf diese Interpretation?)
Modisch individuell
„Woher kommst du denn?“Hoch über dem Meer ein Besuch beim französischen Lyriker und Philosophen Paul Valéry auf dem Meeresfriedhof (cimetière marin). Nicht weit davon, im Friedhof Le Py, huldigen die Fans dem geliebten Dichter und Chansonnier („gesungene Lyrik“) Georges Brassens. Sein im Chanson „Supplique pour être enterré à la plage de Sète“ geäußerter Wunsch wurde dort erfüllt.Beide, Valéry und Brassens, sind in Sète geboren.Diese zarte illustrierte Lyrik hätten wir beinahe einem der beiden zugeschrieben. Autor ist jedoch Petite Poissone, eine „poétesse de rue et street artiste“ aus Grenoble (Quelle: Olivier Granoux, Télérama)
Dieser „gentil monsieur“, hier oben über dem Meer zuhause, kam soeben aus Marseille zurück und wir fragen ihn nach dem nächsten Weg zum Cimetière Marin. „Ganz einfach, immer geradeaus“. Man müsse nur schauen dass man wieder zurück kommt … lacht er mit dem Witz und der Sprache des Midi.
Seine Feigen nebenan gedeihen trotz Trockenheit prächtig
Zurück durch eine der zahlreichen schattigen GassenKommt sie oder geht sie?Wieder an einer der zahlreichen Wasserstraßen angekommen …
… jetzt reicht´s aber
Erfinderisches nachgenüssliches Recyclingmit den Gewächsen des angrenzenden Étan de Thau
Die zahlreichen Kanäle animieren zum gemeinschaftlichen Joggen mit RudernNötigenfalls auch mit halber KraftAbends zurückDie Pizza ist so international wie die Kommunistische Internationale, denken wirAnderntags AbschiedÀ la prochaine fois!
Auf dem Hinweg ins Land Valencia erleben wir die Pyrenäen, wie nur selten, von ihrer besten, beinahe wolkenlosen Seite: der Pic de Canigou mit seinen 2784 m wird fürwahr zum besonderen Augenblick.
Natürlich war die heimische Zugspitze (2962 m) gestern früh auch noch schneebedeckt. Im Süden jedoch, an der Grenze nach Spanien, sind Schneeberge immer wieder ein Erlebnis.
Am 5. April ging’s heuer los. Zuerst lockt Frankreich. Wir fahren mit dem G über Baden-Württemberg (Biberach, Todtnau, das Höllental, Weil am Rhein), das Elsass (Huningue und Altkirch im Dépt. Haut-Rhin), Belfort und Dole (Jura) auf der National 73 ins Département der Flüsse Saône und Loire. La France hat uns wieder. Wir genießen das Bewusstsein hier zu sein. Landschaften, Sprache und Baudenkmäler haben´s uns angetan. Auch die Menschen die wir treffen, ihr alltägliches Savoir-vivre.
Am späteren Nachmittag tauchen wir so richtig ein. In Tournus, hier bleiben wir über Nacht, und am nächsten Morgen in Mâcon, beide wunderbar an der Saône gelegen. Wie bei jeder Stippvisite auch anderer kleinerer Städte wo in Frankreich auch immer: Ein Café an der Straße, ein paar Schritte ins Centre, zur Église, zum Fluss und … wir sind angekommen.
Am zweiten Tag geht’s von der Saône zur Rhône, nach Tournon-sur-Rhône: Eine großzügig angelegte Stadt am grandiosen Fluss! Doch Sète, unser geplantes Zwischenziel, ist jetzt greifbar nah und zieht uns magisch an. Diese eigentlich ganz normale und wohl deshalb so faszinierende französische Hafenstadt am Mittelmeer und dem Austernteich Étang de Thau im Südwesten, Anfang des Canal du Midi, hat es uns seit langem angetan.
Von den köstlich-frischen Fruits de Mer, diesmal im La Calanque, ganz zu schweigen – heuer sogar an zwei Abenden. Denn wir entscheiden anderntags bei Café und Croissant am Hauptkanal eine weitere Nacht zu verweilen. Über die beeindruckende Zugbrücke ist´s vom Hotel mit geschlossenem Parkplatz ohnehin nur eine Petite Promenade du Soir zum puren abendlichen französischen Leben des Midi.
Hier ein paar für uns besonders erinnerungswerte Augenblicke dieses ersten Teils der Reise:
Schon kurz nach der Rheinbrücke zwischen Weil am Rhein und Huningue (Hüningen) kommt im eher ruhigen südlichen Elsass augenblicklich Freude auf. Bei jeder Reise machen wir Jagd auf Graffitis. In Tagsdorf das erste ins Auge fallende Exemplar!
Es erinnert uns an eine häusliche Begegnung vor Jahren …
Damals plötzlich ein junger Fuchs ante portas …
… wir lassen ihn herein – nach einem Rundgang durch die Wohnung ein Augenblick des Behagens auf dem Ehebett, dann ist er wieder wegEin Halt in Tournus an der Saône lohnt sich. Seit 2015 gehört die geschichtsträchtige Stadt zur fusionierten Region Bourgogne-Franche-Comté.
Die dortige Abteikirche Saint-Philibert ist eines der bedeutendsten frühromanischen Baudenkmäler überhaupt (9. Jh.). Im Augenblick des Eintretens überwältigt die Wucht die wir sonst von den großen gotischen Kathedralen kennen.
Benediktiner haben die Abtei gegründet, nachdem sie von den Wikingern aus ihrem Kloster in Noirmoutier, der Atlantikinsel südlich der Loiremündung, vertrieben worden sind.
Unser nächster Augenblick, jetzt in Mâcon, ebenfalls an der Saône und 65 km nördlich von Lyon: So sieht hier die früher ebenfalls romanische Kathedrale Saint-Vincent aus.
Sie wurde im Laufe der Jahrhunderte durch Abrisse und Umbauten heftig malträtiert. Die beeindruckende Wucht ist geblieben. Zwei Türme und prächtige Wandmalereien, eine Ikonographie aus dem 11. Jh., sind noch Zeugnis der Romanik und rechtfertigen die gestrenge Einstufung als historisches Denkmal.
Die mächtige Pont Saint Laurent von Mâcon zur gleichnamigen Stadt am Ostufer der Saône hat ihren Ursprung ebenfalls im 11. Jh.
Eine eher jüngere Schöpfung in der geschichtsträchtig alten Stadt: Die Graffiti-Ikone (pardon) porträtiert selbstbewusst die Weisheit großer Franzosen und Französinnen; letztere leider nur unten links, dafür mit einem weiteren aufmerksamen Bewunderer, präziser einer Bewundererin …
Ein Augenblick in Tournon-sur-Rhône – wir sind jetzt 80 km südlich von Lyon:
Pulsierende Geschäftigkeit vor der Kulisse der Hautes Alpes im Osten
Geplantes Zwischenziel erreicht: der Canal Royal von Sète
Nicht ganz unerwartet: Unsere für einen längeren Augenblick getrennte Verbindung zwischen begehrten Fruits de mer auf der anderen Kanalseite und Hotel
La voilà, die begehrten Gourmandises sétoises im La Calanque
Bis sich die Brücke wieder absenkt nutzen wir die Wartezeit. Diesseits des Kanals, in der alten Rue de Tunis, finden wir unzählige bezaubernde Graffitis.
Welch köstlicher und gefälliger Augenschmaus vor dem abendlichen zum Teil schwer zugänglichen Genuss der Innereien mancher Meeresfrüchte (vergleichbar mit der „halberden Antn“ beim Steidlwirt am Westufer vor ein paar Tagen). Sète offenbart sich auch noch als Ort kreativer Straßenmalerei. Wir werden genüsslich doppelt belohnt.
Hier eine kleine Auswahl inspirierender Augenblicke:
Dies ist für HDM seit der Jugendzeit das Klischee einer erwachsenen männlichen französischen „Visage“.
Ich vermute dahinter die bildliche Erinnerung an einen Paul Kalenderian aus Marseille. Er war kurz nach Kriegsende als französischer Besatzer bei uns einquartiert. Weitere ähnliche Gesichter, z. B. das von Jean Gabin, festigten das eingebildete Franzosenbild, obwohl es letztlich nicht haltbar ist.
Nicht typisch Französisch
Eine mir höchst vertraute kleine große Persönlichkeit, hier in dunkler Gestalt
Ups! Eine auch hierzulande übliche Kreativitätauf einer zumindest früher höchst nützlichen Einrichtung
Graffiti-ähnlich auch eine Art bildlicher Straßengestaltung und Kommunikation. Erstes Feedback ist schon erkennbar.
Morbide Schönheit in Form einer Art gegenständlicher Graffiti-Collage
Authentisch, aufregend und wohltuend
Könnte einen von Stürmen geprägten Fischer des Quartiers darstellenWeniger authentischUps!Eine moderne Graffiti-Version in Erinnerung an einen katalanischen Surrealisten aus Figueres, auf dem weiteren Weg ins Land Valencia gelegen?Dieser Herr aber erinnert sicherlich an einen gewissen Caballero español …
Das nächste Mal mehr über Sète, z. B. malerische Begegnungen wie dieses Schwätzchen (frz. petite causette). Sie gehören im Midi zum täglichen Leben und Erlebenwie die Baguette.
Um die Fronten abzustecken. Man sagt, dass echte Münchner Minga [ˈmɪŋ(:)ə] nicht über ihre Lippen kriegen.
Wohl die Leut´aus dem Umland. Die nördlich der Hauptstadt angesiedelten „fahrn auf Minga auffe“, die Südlichen, um uns herum, nutzen das sprachlich aufregende Synonym für München eher unspektakulär wie Muich oder Milli anstelle von Milch. Ob Umland Nord oder Süd, keiner würd´ je sagen „des hoaßt München und ned Minga“.
Unabhängig von derartigen Münchner Empfindsamkeiten, wir inszenieren unsere München-Trips als kleine Minga-Ereignisse, als ganz bewusst wahrgenommene kleine Reisen vom Land – sogar dem Voralpen-Land – in d´Stadt, eben auf Minga auffe.
Lange Jahre nur profane berufliche Rennstrecke, reisen wir nun mit allen Sinnen. So wie damals im Gassenhauer von Vicky Leandros Theo nach Lodz oder, knapp 200 Jahre früher und zugegebenermaßen ein bissle hochgestochen, ein Goethe gen Italien …
Die derzeitige Umleitung nutzen wir für einen kleinen Aufstieg zu Degerndorfs Maria-Dank-Kapelle. Vom Fürst-Tegernberg aus (719 m) genießen wir tief einatmend, mit Rekord-Inzidenzquoten um uns herum, die frische noch kalte Morgenluft und den trotz Frühnebels weiten Blick zum nahen See.
Noch ist Minga spür- und riechbar weit.
Nach der Umleitung ein paar Kilometer auf dem jetzt herbstlich bunten Schleichweg, von hier aus ein kurzer Aufstieg zum besonders liebevoll gestalteten Kruzifix vor Dorfen, diesmal sogar mit abnehmendem Mond am westlichen bairisch-blauen Himmel.
An den Thalkirchener Isarauen ist Minga schon greifbar nahe. Der Fluss kommt aus unserer Richtung und heißt zuvor auch Loisach.
Dieser gescheite Städter öffnet eine extra angefeuchtete harte Nuss mit Geschick und Geduld. Respekt.
Nebendran wird’s schon hektischer, a bisserl wie in der City. Aber keine Spur von skurrilem Schwimm-, Paddel- und Flugverhalten wie´s auf den Wegen drumherum zwischen Zwei- und Mehrräderbewegungen üblich ist.
Auch fällt auf: Gender- und speziesverdächtige Verhaltensfaxen zwischen Schwänen, Blesshühnern, Stockenten und anderem geflügeltem Isargetier, selbst Raben und Krähen – Fehlanzeige.
Einladende Litfaßsäulen und eifrige Jogger signalisieren dem Landmenschen die nahe Stadt. Um die Ecke liegt das Mangostin von Joseph Peter. Es ist um diese Zeit natürlich noch nicht auf. Wir denken genüsslich an sein sonntägliches Brunch.
Eher abschreckend: Über der Isar stehen naturbeflissene Minganer diszipliniert wartend vor Hellabrunn am rechten Ufer und begehren Einlass.
Eigentlich freuen wir uns über diese Graffiti-ähnliche Gestaltung. Die legendäre Treue der Giesinger zu ihren 60ern schafft Sympathie.Außer dem Fußballverein war Giesing auch Sitz unserer florierenden BAW.
Noch wissen wir nicht, dass abends im Fernsehen die Serie München Mord läuft: Die unverwechselbaren Kommissare Ludwig, Harald und Kollegin Angelika geraten – die 60er haben wieder mal verloren – in eine böse Mordgeschichte. Auch die Feindseligkeiten zwischen Blauen und Roten im sonst so friedlichen Minga werden offenbar.
Vom anschließenden Parken unter der Schrannenhalle ist’s nicht weit ins „Eataly“ direkt drüber. Das italienische Augen- und Gaumenparadies offeriert volle Regale weihnachtlicher Vorfreuden, z. B. Panettone di Milano.
Wir denken an unsere Panettoni vom Aldi. Sie ersetzen im spanischen Zuhause bayerische Weihnachtsnaschereien wie die köstlichen Christstollen von der Café-Konditorei Kreutzkamm in der Maffeistraße. Freund Siegfried Vögele hat uns jedes Jahr damit beglückt.
Wer wohl im Eataly all dies hier kauft, fragt sich der Marketingmensch? Als Panettone-Christmas Snack zum Frühstück eignen sich diese Kostbarkeiten mit dem bald zehnfachen Kilopreis eher nicht.
Doch „mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut“ …
Ein paar Schritte weiter das herbstlich geschmückte Minganer Urgestein Karl Valentin
Der Weihnachtsbaum kommt heuer vom Peitinger Friedhof zwischen Ammer und Lech – 60 Jahre alt und 27 m hoch ist die noch ungeschmückte Weißtanne
Mit den Gerätschaften der geräumigen S- und U-Bahn-Baustelle hinterm Rathaus kann die nadelige Weihnachtsgabe vom Land nicht konkurrieren
Unser Ziel, die durchaus sehenswerte Ausstellung in der Kunsthalle.
„Fantastisch Real“ ist ein aus der belgischen Literatur entliehener, leider irreführender Überbegriff für die Vielfalt der gezeigten Werke. Bilder wie beispielsweise die aus dem armen sozialen Milieu der fortschreitenden Industrialisierung und ihrer Missstände können schwerlich fantastisch real sein und sind es auch nicht.
Da ist der Satz „Die Werke aus dieser Zeit loten die Grenzen zwischen dem Realen und dem Fantastischen immer wieder aufs Neue aus“ schon treffender. Dafür aber taugt die Headline nicht.
Gewagt ist sicherlich auch der Versuch, die Vielfalt der Werke zwischen Realismus und Fantastischem nach Themenbereichen und Kunstrichtungen zu ordnen und dann (notwendigerweise) auf die verfügbaren Ausstellungsräume zu verteilen. Erkennbar subjektive Beurteilungen der Ausstellungsgestalter lassen sich so nicht vermeiden. Wissbegierige Fans sollten die Tafeltexte zu den jeweiligen Räumen als Anregung zur eigenen Einordnung der Werke begreifen.
Seltsam die ausdrückliche Ankündigung: „Jeder Ausstellungstext beginnt mit einer kurzen Einführung für alle Besucher:innen. Sie ist in einfacher Sprache geschrieben.“
Das hätte ich schon selber merken wollen.
HDM kann sich den schönen Gedanken nicht verkneifen, dass gender- oder diversitätsorientierte Einordnungskonzepte hier Gott sei Dank noch keine Bedeutung haben. Schaue mich um und konstatiere zufrieden dass die Gewichtung ohnehin eindeutig ist.
Was für ein genüssliches Frühstück mit Austern! Der Maler James Ensor zeigt aus seinem eigentlich engen Heimatort Ostende heraus nicht nur mit seinen Fratzen-Masken auf das zunehmend dekadente Bürgertum. Das scheinbar friedliche Stillleben mit all den schönen Dingen führt aufgrund der sexuell konnotierten Austern damals zum Skandal.
Der Dom um die Ecke lockt immer. Er grüßt uns während langer Berufsjahre bald jeden Tag schon ein paar Kilometer vor dem Ende der Garmischer Autobahn, am Luise-Kiesselbach-Platz. Ein prägnantes Bild dafür, in München engagiert zu arbeiten, draußen naturnah ländlich zu leben und beides symbiotisch zu begreifen.
(Am Ende eines langen Weges das Ziel oder ein Sinnbild dafür zu erkennen, ist eine schöne wie hilfreiche Erfahrung. Falls Sie mal nach Königsdorf und vielleicht weiter nach Tölz reisen wollen, nehmen Sie die Straße von Seeshaupt aus. Zwischen den Wäldern links und rechts, vorwiegend Birken, zeigt die Königsdorfer Kirche während langer Kilometer den sicheren Weg.)
Über den Teufelstritt in der Vorhalle des Liebfrauendoms sagt die Legende, dass der Teufel dem Baumeister Jörg von Halspach beim Dombau dann helfen wollte, wenn die Kirche keine Fenster bekäme.
Als Beelzebub dann in die fensterlose Vorhalle kam, stampfte er vor Begeisterung auf den Boden … Allerdings, angesichts des lichtdurchfluteten Kirchenschiffes mutierte er aus Zorn zum eisigen Wind der bis heute immer wieder den Dom umweht.
Beeindruckend hell und schlicht
In der Tat, als wir den Dom verlassen fegt ein wahrhaft kalter Wirbelwind das trockene Herbstlaub im Kreis über den Platz …
Leider erwische ich fotografisch nur noch die letzten Wirbel. Dann ist, wie man dies vom Teufel erwartet, der Spuk urplötzlich wieder vorbei. Großes Ehrenwort.
Als Trost für das versäumte Video genehmige ich mir den 3a im Residenz-Weinkeller. Der sei immer noch so sauer wie früher weiß die freundliche Bedienung – vermutlich von einer ihrer als kauzig berühmten Vorgängerinnen.
In früheren Jahren lohnte sich die Notierung des zuweilen exzessiven Konsumverhaltens auf dem Filz schon eher
Corona fördert Retro. Bierkrüge zum wiederum abgesagten Oktoberfest sprießen quasi aus den menschenleeren Wiesn.
Das früher höchst gestrenge wenn auch minganerisch typisch willkürliche Genehmigungsritual für strategisch korrektes Design scheint nicht mehr so strikt gehandhabt zu werden … sinniere ich über die früher schier endlosen Jurysitzungen.
Für den herzlichen Wahlminganer aus Linz, der Landeshauptstadt von Oberösterreich, ist der Stammplatz am Lisl Karlstadt-Brunnen so wertvoll wie die Wiesn.
Mir fällt Linzens USP und Claim ein: „Linz ist Linz. Ohne Schnickschnack und Klischees“.
Kurz vor dahoam is dahoam: Nach all den kleinen Minga-Erlebnissen genehmige ich mir noch beim Altwirt ein deftiges Genusserlebnis nach Art des Landes, all meinen veganen Bemühungen zum Trotz
Sohn Joseph und seine tolle Mannschaft setzen die Tradition der Eltern beeindruckend fort – auch auf dem Land nicht mehr selbstverständlich