Sonntägliche Impressionen vom valencianischen Hinterland

An einem heißen August-Sonntagmorgen sind wir in der Comarca Marina Alta unterwegs. Sie ist ein Landkreis unserer Provincia Alicante, diese wiederum gehört zum Land Comunidad Valencia. Unser heutiges Ziel ist eigentlich nur ein schönes landestypisches Sonntagsessen im Lieblingslokal Rafel des Orangen-Pueblos Pego.

Heute jedoch nehmen wir eine andere Strecke als üblich.

Zuvor, wie beinahe täglich, schwimmen wir eine Stunde aufs Meer hinaus, inklusive zurück natürlich. Außer ein paar schwankenden Bojen bin ich der Einzige heute. Wellen und Himmel schrecken ab.

Der dunkle Himmel, erfahren wir später, gehört zu heftigen Gewittern im Norden von Valencia.
La Iglesia de Jesús Pobre
Aber zu anderen – ideellen – Herausforderungen:

An den Treppen hinauf zum Ayuntamiento (Rathaus) studieren wir mühsam, wenn auch genüsslich, valencianisch dramatisierende Ge- und Verbote. Eigentlich umgeben sie uns in dieser Zeit Tag für Tag.

Hier haben wir sie nun auch weiß auf pink-violett.
Spaniens Rathäuser und deren Alcaldes wie Alcaldessas (Bürgermeister männl. wie weibl. Art) haben in Spanien eine gewichtige Bedeutung. Sie kümmern sich mit ihrer meist nicht geringen Zahl von Beamten und Mitarbeitern um vieles und alles.

Ihre Arbeitsweise und Produktivität ist bei kritischen Teilen der Bevölkerung durchaus umstritten, mein kluger Frisör Paco Moncho gehört dazu. Manches Anliegen bleibt jahrelang einfach liegen. Der Papierkram ufert aus.

Einfacher sind da zeitgemäß-populäre (populistische) Bekenntnisse wie diese auf den beiden Treppen zum kommunalen Heiligtum.

Losgelöst davon aber nimmt das Dorfleben wie gewohnt seinen Lauf, bis zum nächsten realen Gender-Igualdad-Diversidad-Konflikt. Dann trifft man sich wieder mal zur Schweigeminute auf der Rathaustreppe.

Konstruktive selbstkritische Ursachenforschung unterbleibt.
Die gestalterischen Signale zum einschlägigen Themenbereich verdichten sich. Dörfer werden zu Demonstrationsorten.
Ein paar Schritte weiter, hinter einer Windschutzscheibe, das bei vorgeschriebener Behandlungsanleitung nachhaltig bleibende private Lebensmotto „NIE wirst du es bekommen“ … was auch immer
Hier hingegen scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Perros sind in und kitten.
Dieser niederländische Tourist, Ehemann der fotografierenden und offenbar schon wissenden Dame im Vordergrund, studiert noch die Herausforderungen des Diversidad-Verständnisses von Jesús Pobre
Genderthemen sind im Pueblo mit dem anspruchsvollen Namen höchst virulent. Sie sind hier offenbar differenzierender Inhalt der Dorf-Positionierung.
USP mit klarer Zielgruppe?
Der Graffiti-Künstler Tardor Roselló aus La Xara (unser nächster Besuchsort) hat in 7 Tagen dieses 28 Meter lange und 6 Meter hohe Werk geschaffen. Er hält „Feminismus für den Schlüssel“ (das valencianische und katalanische la clau bedeutet Schlüssel).
Derweil bereiten (männliche) Jovenes des Pueblo die nächste Diversidad-Fiesta vor
Derweil bereiten (männliche) Jovenes wohl die nächste Fiesta für Gender oder Diversidad vor.

Im heimischen Münsing (Oberbayern) wäre es der rührige Burschenverein – oder?
Edel verchromte stumme Müllschlucker warten derweil einladend, sauber und geduldig auf Kundschaft. Auch hier ist jeder willkommen.

Voraussetzung, er oder sie beherrscht die Mülltrennung perfekt und wirft seine oder ihre Wertgegenstände nicht einfach ungeordnet daneben. (Ein durchaus übliches Verhalten das jedoch noch nicht typologisch statistisch erfasst ist.)
Wir erfreuen uns auch an vertrauten Gestaltungen
… und fahren, mit etwas höherer Horse-Power, aber ähnlich gemächlich weiter.
Machen für zwei Café Cortado Station im nächsten Pueblo La Xara
Auch das Menü del Dia klingt nicht schlecht. La proxima vez.
Die üblichen Zuckertütchen zum Café nutzen wir ausschließlich zur Erweiterung unseres Sprachschatzes, hier in Spanisch, d. h. dem länderübergreifenden Castellano.

Leider gewinnen, nachdem wir die Umgangssprache so einigermaßen gelernt haben, in den letzten Jahren die regionalen Sprachen immer mehr an Boden. In Katalonien soll Catalan offiziell die erste Sprache werden.

„Der Hahn der nicht kräht hat etwas im Hals“ ist ein seltener (vermutlich weil nicht ganz leicht verständlicher) spanischer Refrán zum Thema Furcht (el temor):
Wenn jemand in einem Gespräch auffällig schweigt, hat er vor etwas in seinem Inneren Angst.

Si quieres buena fama, no te dé el sol en la cama
„Wenn du Ruhm ernten willst, lass die Sonne nicht in dein Bett“ oder „que si quieres que los demás te respetan, hay que trabajar y no ser perezoso“, also sei nicht faul.

Dazu fällt mir aus der Schule noch „the early bird catches the worm“ ein.

Wie sich Sprichwörter über Grenzen hinweg doch gleichen.
In La Xara treffen wir im Schulhof prompt auf die spanische Sprachen-Herausforderung
Daneben wird sogar Cervantes´ Don Quijote von der Mancha infrage gestellt?
(„An einem Ort in La Mancha, dessen Name ich nicht liebe“)
Hoffentlich ein Missverständnis unsererseits
Im Gegensatz, die übergreifende Popularität von Fuß- und Handball steht hierzulande außer Frage (von Real und Barça abgesehen).

Auch wir erinnern uns an ältere Sportler-Zeiten.
Ein nicht ganz artgerecht gehaltener Pastor Aleman (Deutscher Schäferhund) zieht bellend die Aufmerksamkeit auf sich
Nicht weit davon vermuten wir die Wirkungsstätte des Graffiti-Pintors Tardor.
Nachbarn können uns auch nicht weiterhelfen.
Werbung für unseren Landkreis Marina Alta im Hinterhof
Ein weiteres höchst gelungenes Graffiti. Schade, keiner kennt’s.
Der Energieversorger gegenüber verkauft sich auf seiner Plakatwand weniger kreativ
Unser nächster Ort lockt: Sanet i Negrals (oder Sanet y Negrals)
Hier spielen Graffiti-Motive sogar auf Sturzhelmen eine Rolle, zumindest bei den jungen selbstbewussten Spanierinnen
Fürwahr nicht unattraktiv, auf der Plaza del Pueblo im Austausch mit Freunden (siehe Foto oben)
Veritable Grafittis gibt’s natürlich auch, am kleinen Sportplatz.
Der Grafitero (mit einem f) heißt Larouch.
Und ein riesiges, an diesem heißen Tag kaum besuchtes Schwimmbad mit Rundblick
Weiter zum lockenden ländlichen Esstempel in Pego.

Noch ein Schnappschuss unterwegs: Eine ausgefallene Verkehrsorientierung.

Wir kommen trotzdem an.
Raffa, der rührige Juniorchef des Restaurante Rafel nutzt ein kürzlich von HDM geschossenes Foto für seine Para Llevar Werbung.

Er ist ein gelernter sehr guter Koch, aber gleichzeitig, rein intuitiv, ein toller Werbe- und Marketingmensch. Bei Köchen eine durchaus seltene Begabung.
Vor dem Genuss gibt’s den obligatorischen Temperaturcheck mit Masken bis zum Tisch
Gründervater und Sohn

(Eine kürzlich stattfindende Demo mit einer im Sommer beliebten Sandía-Melone.
Sie wird zu besonderen Anlässen vor den Gästen fachkundig zerlegt und serviert.)
Salat ist häufig der 1. Gang eines Menüs
Als vorausgehende Tapas bringt uns Raffa köstlich panierte Calamares a la Romana
… und valencianisch-mediteran gewürzte Albóndigas (Fleischbällchen)
Den unterwegs ausgewählten Arroz Meloso con Pulpo i Alcachofas gibt es derzeit nicht (die Artischocken sind noch nicht reif und geschmackvoll genug).

Wir entscheiden uns großzügig für die Bogavante-Version (ein typisches „uptrading“), zubereitet vom Seniorchef und Maguie, Raffas langjährige Chica, besser gesagt Lebensgefährtin.
HDMs Lieblings-Postre Tarta de Queso im Glas kann man bildlich schwer darstellen.

Man müsste einen Schnitt durch das Glas machen:
Arándanos (Blaubeeren), die geheime sahnig-leichte Quark-Creme und ein bröseliger Unterbau (dreistufig im Vergleich zu unserem zweistufigen „industriellen“ locker-leichten Obstgarten – siehe Fallstudie)
Hinreichend gelabt wieder raus in die Hitze:
Vor dem Restaurante eine in dieser Jahreszeit seltene Jacarandá-Blüte
… und die Schatten suchende Katzenschönheit des Hauses
Unterwegs, wieder zurück in Dénia:
Diese Fassade ist für eine Werbebeurteilung geeignet!

Um welches Angebot geht es hier?

Ich habe den Text etwas retuschiert. Die Bilder (Key Visual, Visual Devices – evtl. Suchfunktion bemühen) müssten eigentlich für sich sprechen, oder?

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Zurück zuhause: Es wird schon langsam dunkel.

Der erhoffte Regen blieb wieder mal aus. 150 km nördlich allerdings flossen bei stürmischen Gewittern mehr als 100 Liter auf einen Quadratmeter und richteten beträchtliche Schäden an.
Es ist Montag und immer noch heiß.

Die Arbeit ruft.
Mit unserem Gärtner Jaime haben wir auf dem angrenzenden Grundstück viel zu tun.

Während unser langen Corona-Abwesenheit haben sich die Sträucher der verbreitungsfreudigen Spezies Lantana (Wandelröschen, ein Eisenkrautgewächs) beunruhigend ausgedehnt. Sind sie dürr, besteht Feuergefahr.

Irgendwie wollte ich diese eins zwei Tage in einem heißen August loswerden. Am Telefon mit Ambacher Freunden erfahren wir soeben, dass dort die Temperaturen erheblich bescheidener sind.

Freut euch doch über schöne kühle Nächte mit natürlichem Air Conditioning vom See!