Minganer Herbst-, Kunst- und sonstige Splitter

Um die Fronten abzustecken. Man sagt, dass echte Münchner Minga [ˈmɪŋ(:)ə] nicht über ihre Lippen kriegen.

Wohl die Leut´aus dem Umland. Die nördlich der Hauptstadt angesiedelten „fahrn auf Minga auffe“, die Südlichen, um uns herum, nutzen das sprachlich aufregende Synonym für München eher unspektakulär wie Muich oder Milli anstelle von Milch. Ob Umland Nord oder Süd, keiner würd´ je sagen „des hoaßt München und ned Minga“.

Unabhängig von derartigen Münchner Empfindsamkeiten, wir inszenieren unsere München-Trips als kleine Minga-Ereignisse, als ganz bewusst wahrgenommene kleine Reisen vom Land – sogar dem Voralpen-Land – in d´Stadt, eben auf Minga auffe.

Lange Jahre nur profane berufliche Rennstrecke, reisen wir nun mit allen Sinnen. So wie damals im Gassenhauer von Vicky Leandros Theo nach Lodz oder, knapp 200 Jahre früher und zugegebenermaßen ein bissle hochgestochen, ein Goethe gen Italien …

Die derzeitige Umleitung nutzen wir für einen kleinen Aufstieg zu Degerndorfs Maria-Dank-Kapelle. Vom Fürst-Tegernberg aus (719 m) genießen wir tief einatmend, mit Rekord-Inzidenzquoten um uns herum, die frische noch kalte Morgenluft und den trotz Frühnebels weiten Blick zum nahen See.

Noch ist Minga spür- und riechbar weit.
Nach der Umleitung ein paar Kilometer auf dem jetzt herbstlich bunten Schleichweg, von hier aus ein kurzer Aufstieg zum besonders liebevoll gestalteten Kruzifix vor Dorfen, diesmal sogar mit abnehmendem Mond am westlichen bairisch-blauen Himmel.
An den Thalkirchener Isarauen ist Minga schon greifbar nahe. Der Fluss kommt aus unserer Richtung und heißt zuvor auch Loisach.

Dieser gescheite Städter öffnet eine extra angefeuchtete harte Nuss mit Geschick und Geduld. Respekt.
Nebendran wird’s schon hektischer, a bisserl wie in der City. Aber keine Spur von skurrilem Schwimm-, Paddel- und Flugverhalten wie´s auf den Wegen drumherum zwischen Zwei- und Mehrräderbewegungen üblich ist.

Auch fällt auf: Gender- und speziesverdächtige Verhaltensfaxen zwischen Schwänen, Blesshühnern, Stockenten und anderem geflügeltem Isargetier, selbst Raben und Krähen – Fehlanzeige.
Einladende Litfaßsäulen und eifrige Jogger signalisieren dem Landmenschen die nahe Stadt. Um die Ecke liegt das Mangostin von Joseph Peter. Es ist um diese Zeit natürlich noch nicht auf. Wir denken genüsslich an sein sonntägliches Brunch.
Eher abschreckend: Über der Isar stehen naturbeflissene Minganer diszipliniert wartend vor Hellabrunn am rechten Ufer und begehren Einlass.
Eigentlich freuen wir uns über diese Graffiti-ähnliche Gestaltung. Die legendäre Treue der Giesinger zu ihren 60ern schafft Sympathie. Außer dem Fußballverein war Giesing auch Sitz unserer florierenden BAW.

Noch wissen wir nicht, dass abends im Fernsehen die Serie München Mord läuft: Die unverwechselbaren Kommissare Ludwig, Harald und Kollegin Angelika geraten – die 60er haben wieder mal verloren – in eine böse Mordgeschichte. Auch die Feindseligkeiten zwischen Blauen und Roten im sonst so friedlichen Minga werden offenbar.
Dagegen bairisch friedlich: Herbstbaum trifft Maibaum
Vom anschließenden Parken unter der Schrannenhalle ist’s nicht weit ins „Eataly“ direkt drüber. Das italienische Augen- und Gaumenparadies offeriert volle Regale weihnachtlicher Vorfreuden, z. B. Panettone di Milano.

Wir denken an unsere Panettoni vom Aldi. Sie ersetzen im spanischen Zuhause bayerische Weihnachtsnaschereien wie die köstlichen Christstollen von der Café-Konditorei Kreutzkamm in der Maffeistraße. Freund Siegfried Vögele hat uns jedes Jahr damit beglückt.

Wer wohl im Eataly all dies hier kauft, fragt sich der Marketingmensch? Als Panettone-Christmas Snack zum Frühstück eignen sich diese Kostbarkeiten mit dem bald zehnfachen Kilopreis eher nicht.

Doch „mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut“ …
Ein paar Schritte weiter das herbstlich geschmückte Minganer Urgestein Karl Valentin
Der Weihnachtsbaum kommt heuer vom Peitinger Friedhof zwischen Ammer und Lech – 60 Jahre alt und 27 m hoch ist die noch ungeschmückte Weißtanne
Mit den Gerätschaften der geräumigen S- und U-Bahn-Baustelle hinterm Rathaus kann die nadelige Weihnachtsgabe vom Land nicht konkurrieren
Unser Ziel, die durchaus sehenswerte Ausstellung in der Kunsthalle.

„Fantastisch Real“ ist ein aus der belgischen Literatur entliehener, leider irreführender Überbegriff für die Vielfalt der gezeigten Werke. Bilder wie beispielsweise die aus dem armen sozialen Milieu der fortschreitenden Industrialisierung und ihrer Missstände können schwerlich fantastisch real sein und sind es auch nicht.

Da ist der Satz „Die Werke aus dieser Zeit loten die Grenzen zwischen dem Realen und dem Fantastischen immer wieder aufs Neue aus“ schon treffender. Dafür aber taugt die Headline nicht.

Gewagt ist sicherlich auch der Versuch, die Vielfalt der Werke zwischen Realismus und Fantastischem nach Themenbereichen und Kunstrichtungen zu ordnen und dann (notwendigerweise) auf die verfügbaren Ausstellungsräume zu verteilen. Erkennbar subjektive Beurteilungen der Ausstellungsgestalter lassen sich so nicht vermeiden. Wissbegierige Fans sollten die Tafeltexte zu den jeweiligen Räumen als Anregung zur eigenen Einordnung der Werke begreifen.

Seltsam die ausdrückliche Ankündigung: „Jeder Ausstellungstext beginnt mit einer kurzen Einführung für alle Besucher:innen. Sie ist in einfacher Sprache geschrieben.“


Das hätte ich schon selber merken wollen.
HDM kann sich den schönen Gedanken nicht verkneifen, dass gender- oder diversitätsorientierte Einordnungskonzepte hier Gott sei Dank noch keine Bedeutung haben. Schaue mich um und konstatiere zufrieden dass die Gewichtung ohnehin eindeutig ist.
Was für ein genüssliches Frühstück mit Austern!

Der Maler James Ensor zeigt aus seinem eigentlich engen Heimatort Ostende heraus nicht nur mit seinen Fratzen-Masken auf das zunehmend dekadente Bürgertum. Das scheinbar friedliche Stillleben mit all den schönen Dingen führt aufgrund der sexuell konnotierten Austern damals zum Skandal.
Der Dom um die Ecke lockt immer. Er grüßt uns während langer Berufsjahre bald jeden Tag schon ein paar Kilometer vor dem Ende der Garmischer Autobahn, am Luise-Kiesselbach-Platz. Ein prägnantes Bild dafür, in München engagiert zu arbeiten, draußen naturnah ländlich zu leben und beides symbiotisch zu begreifen.

(Am Ende eines langen Weges das Ziel oder ein Sinnbild dafür zu erkennen, ist eine schöne wie hilfreiche Erfahrung. Falls Sie mal nach Königsdorf und vielleicht weiter nach Tölz reisen wollen, nehmen Sie die Straße von Seeshaupt aus. Zwischen den Wäldern links und rechts, vorwiegend Birken, zeigt die Königsdorfer Kirche während langer Kilometer den sicheren Weg.)
Über den Teufelstritt in der Vorhalle des Liebfrauendoms sagt die Legende, dass der Teufel dem Baumeister Jörg von Halspach beim Dombau dann helfen wollte, wenn die Kirche keine Fenster bekäme.

Als Beelzebub dann in die fensterlose Vorhalle kam, stampfte er vor Begeisterung auf den Boden … Allerdings, angesichts des lichtdurchfluteten Kirchenschiffes mutierte er aus Zorn zum eisigen Wind der bis heute immer wieder den Dom umweht.
Beeindruckend hell und schlicht
In der Tat, als wir den Dom verlassen fegt ein wahrhaft kalter Wirbelwind das trockene Herbstlaub im Kreis über den Platz …

Leider erwische ich fotografisch nur noch die letzten Wirbel. Dann ist, wie man dies vom Teufel erwartet, der Spuk urplötzlich wieder vorbei. Großes Ehrenwort.
Als Trost für das versäumte Video genehmige ich mir den 3a im Residenz-Weinkeller. Der sei immer noch so sauer wie früher weiß die freundliche Bedienung – vermutlich von einer ihrer als kauzig berühmten Vorgängerinnen.
In früheren Jahren lohnte sich die Notierung des zuweilen exzessiven Konsumverhaltens auf dem Filz schon eher
Corona fördert Retro. Bierkrüge zum wiederum abgesagten Oktoberfest sprießen quasi aus den menschenleeren Wiesn.

Das früher höchst gestrenge wenn auch minganerisch typisch willkürliche Genehmigungsritual für strategisch korrektes Design scheint nicht mehr so strikt gehandhabt zu werden … sinniere ich über die früher schier endlosen Jurysitzungen.
Für den herzlichen Wahlminganer aus Linz, der Landeshauptstadt von Oberösterreich, ist der Stammplatz am Lisl Karlstadt-Brunnen so wertvoll wie die Wiesn.

Mir fällt Linzens USP und Claim ein: „Linz ist Linz. Ohne Schnickschnack und Klischees“.
Kurz vor dahoam is dahoam: Nach all den kleinen Minga-Erlebnissen genehmige ich mir noch beim Altwirt ein deftiges Genusserlebnis nach Art des Landes, all meinen veganen Bemühungen zum Trotz
Sohn Joseph und seine tolle Mannschaft setzen die Tradition der Eltern beeindruckend fort – auch auf dem Land nicht mehr selbstverständlich

Wie gut haben wir´s doch auf dem Land. Oder?

Luja sog i 

Persönliche Ambacher Impressionen in diesen Tagen

Der Anlegesteg der Bayerischen Seen- und Schifffahrts-Verwaltung empfängt und entlässt hier ihre Kunden. Auch festen Boden präferierende Ambach-Besucher mögen den Steg. An warmen Tagen besonders die Sonnenanbeter vom Fischmeister gegenüber.

Das schafft Konflikte. Das Ein- und Aussteigen wird zuweilen unmöglich. Die Lösung ist spektakulär. Lesen Sie selbst die salomonische Entscheidung eines kompetenten Schifffahrtsverwaltungsmarketings:

Luja sog´i
Wenn der Föhn unser Wetter lenkt sind die Anwohner zuweilen etwas verwirrt. Der See aber zeigt sich von seiner besten schönen wilden Seite.

Zu Beginn der siebziger Jahre, so sagt man, sei es Mode gewesen sich dann im See zu ertränken. Habe ein Münchner seine Frau als vermisst gemeldet sei vorsorglich die Starnberger Wasserwacht angerufen worden … Auch Minga verspürt den Föhn.
… einfach lieb und treu.

Aber auch der ungestüme Wellengang erinnerte mich an den Kini, nämlich an sein Schicksal im nahen Berg
Verneigung vor dem großen Freund und Gönner
???
Würdevoller Abgang
Nach diesen Erinnerungen an die Kini-Schwan-Begegnung spazieren wir auf See-Distanz in Richtung Oberambach und Luigenkamer Hof
Hier eine nur fröhliche Erinnerung: Die Einweihung der kleinen Luigenkamer Kapelle am 5. Mai letzten Jahres (HDM hat dazu ein kleines Büchlein gestaltet)
Mit unserem Freund Hans erklimmen wir den 719 m hohen Fürst-Tegernberg zur Degerndorfer Maria-Dank-Kapelle.

Das Dorf befindet sich im 2. Weltkrieg unweit einer Munitionsfabrik in Geretsried und ist Einflugschneise der alliierten Bomber nach München.

So geloben die Degerndorfer in den Kriegswirren Ende 1944 zu Ehren Marias am schönsten Fleck des Ortes eine Kapelle zu erbauen, wenn der Krieg das Dorf verschont.

In der Tat, keine Bombe trifft und ein Jahr nach Kriegsende beginnen die Planungen für den Tegernberg. Baumaterial holen sich die Degerndorfer aus den Ruinen des zerbombten Münchens. Materialien wie Zement oder Nägel beschafft man sich auf dem Tauschweg.

Am 23. Mai 1948 wird die Kapelle feierlich eingeweiht. (Es lohnt sich z. B. in Wikipedia die Details zu lesen)
Unser Freund, der überzeugte Badener Hans hat uns mit einem badisch-knitzen Präsentmix überrascht – ein Schelm wer Böses dabei denkt
Als Revanche kredenzen wir zuhause keinen württembergischen Trollinger, sondern „den besten spanischen Cava – por supuesto méthode champagnoise“ (ein Geschenk unseres Freundes und Spanien-Kenners Esteban Frings).

Der erste Schluck aus dem übervollen Sektglas offenbart jedoch beträchtliche genüssliche Prozente … a Stamperl waar gscheiter gwest
Später versöhnt die abendliche Claude-Monet-Le-Déjeuner-sur-l’herbe-Stimmung beim Bierbichler. Selbst die den See durchziehende Würm zeigt sich in edlem Bleu – jetzt wieder ruhig dahin fließend

A bisserl Background dazu: „1976 gründete der Schriftsteller und Filmemacher Herbert Achternbusch gemeinsam mit dem Schauspieler und Gastronomen Sepp Bierbichler und dessen Schwester Annamirl in Ambach eine Wohngemeinschaft. Die hielt zwar nur wenige Jahre, begründete aber einen Mythos, der bis heute die kreative Leistungselite aus München und der Republik anzieht: junge Eltern um die 40, in der Attitüde liberal, aber im Kern konservativ. Während die Männer denken und schreiben, kümmern sich die Frauen karriereopfernd um die Kinder. Ausgestattet mit Porsche und High-Speed-Internetzugang suchen sie hier ihre Erdung.“ (Quelle unbekannt, vermutlich Süddeutsche um 2007)
Auch der Mond macht später mit. Noch blinkt gegenüber hektisch das immer eifrige Bernrieder Sturmwarnlicht. Aber in Tutzing leuchtet schon ruhig und stolz der neu eröffnete Biergarten des ehemaligen Kloster Andechs-Wirts.

Auch hier noch ein bisserl Wissenswertes: „In Bernried leben 2100 Menschen, es gibt keinen Supermarkt, keine Apotheke, dafür einen Maibaum, einen kleinen Hafen mit Segelschule, ein Kloster und einen Nationalpark mit Eichen, die so alt und groß sind, dass nur vier Menschen sie umfassen können.“ (Quelle wie oben)

Berichtigend und begeistert fügen wir dieser spartanischen Aufzählung hinzu:
Das schon erwähnte Sturmwarnlicht, die gute Bäckerei, den ebenso guten Hofladen und zwei drei besuchenswerte Gasthäuser.

Fazit aus der gegenüberliegenden Sicht des Ostufers: Auch das Westufer hat seine wunderbaren Plätze. Ehrlich.

Das waren ein paar Ambacher Impressionen und Erinnerungen in diesen Tagen

N A C H T R A G

Kann mir diesen durchaus themenbezogenen, doch beinahe persönlichen Nachtrag einfach nicht verkneifen. Er beinhaltet die E-Mail-Korrespondenz mit unserem Freund Hans zu den Ambacher Impressionen:

Danke Hans. Leider finde ich bei WordPress im Augenblick keine Emojis.

N O C H – E I N – N A C H T R A G Zu unserem Kini-Kennzeichen-Foto

„An bayerischer Raststätte: Polizei stoppt „Kini von Bayern“ im Tesla“

So steht es in der Headline von merkur.de. Laut Polizeibericht hatte der 30-Jährige vorne und hinten unzulässige Kennzeichen. Der „Kini“ vorne dran hat auch HDM inspiriert, der „Hansi“ hinten ist ihm entgangen, trotz ebenfalls ausdrucksstarkem weiß-blauem Rautenmuster.

Der junge Mann gab an, dass er der König von Bayern sei und wisse, dass er die Kennzeichen nicht an seinem Tesla hätte anbringen dürfen.

Jetzt hat der bekennende Kini leider ein Strafverfahren am Hals, durfte jedoch mit seinen flugs montierten amtlichen Kennzeichen weiterfahren.

Vielleicht ein kleines Beispiel der berühmten Liberalitas Bavariae?

Zu diesem reizvollen Thema eine kleine Lese-Empfehlung: „Liberalitas Bavarica – Wie Franz Josef Strauß die bayerische Liberalität prägte“

https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-unser-himmelsgeschenk-1.2441038-2