VERBRANNTE KUNST

Nein, es geht nicht um böse Erinnerungen an germanische Exzesse. Vielmehr um lebendige, möglicherweise etwas aus der Art geratene valencianische Traditionen.

Touristen lieben sie, diese Fallas. Für uns Halbspanier sind sie emotional einfacher nachvollziehbar als Stierspektakel im südlichen Andalusien, zuweilen auch noch hierzulande im Land Valencia. Die Fallas jedoch sind auch unsere Fiestas.

Nach einem Jahr konzipierender, gestalterischer und handwerklich anspruchsvoller Arbeit wird das kreative Oeuvre publikumswirksam verbrannt. Vor ein paar Tagen war es wieder soweit. In der Hauptstadt Valencia lockte die feurige Cremá 2024 wiederum Legionen aus der ganzen Welt an. Bei uns in Dénia sind es Gott sei Dank weniger. Mein gescheiter Friseur Paco Moncho meint trotzdem, Dénia solle das Spektakel Valencia überlassen. Ihn (und uns) stören allerdings eher die öffentlich organisierten Mascletàs und tagelangen Knallereien auf den Strassen, auch direkt vor seinem kleinen Salon um die Ecke des zentralen Campo.

Sind gerade noch rechtzeitig angekommen. Wir nehmen die spanische Lebensfreude auf. Von den kritischen Aussagen der Fallas-Kreationen lernen und profitieren wir. Fotos sollen dies erklären.

Die Entstehung der Fallas ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich haben sich die Menschen vom Winter verabschiedet. Vielleicht ihr angesammeltes Gerümpel, die Holzberufe ihre Abfälle entsorgt. Feuer und Knallen gehören ohnehin zum Land. Entsorgung und Lebensfreude in einem.

Wir staunen jedes Jahr aufs Neue über die Vielfalt der Kreationen und die unbeschwerte Art durch sie mit gesellschaftlichen und politischen Themen umzugehen.

Unsereins bedauert schon jetzt diese lebensfreudigen Scheiterhaufen gestalterischer und handwerklicher Kunst. Echte Valencianos jedoch freuen sich auf die nächtliche Cremá. Dann wird die Kunst verbrannt.

Unser Trost: Ein paar wenige Figuren landen im Lager der sie gestaltenden Bruderschaft oder im Museum.
Vor unserem 753 Meter hohen Hausberg Montgó werden Tiere und Menschen eigenständig, wenn auch meist wenig artgerecht, dargestellt.

So aber kommunizieren sie besonders gut. Neckisch sind die Objekte allemal.

Das im Hintergrund erahnbare Wahrzeichen Montgó versinkt hier – zwischen Dénia und dem acht Kilometer südlichen Xàbia – als Überrest der Betic-Gebirgszüge im Meer. Bei Ibiza und Formentera taucht seine Fortsetzung wieder auf.

Geologen erklären den mächtigen Brocken aus dem Zusammenprall der afrikanischen und der europäischen Zentralplatte. In „seinen“ Meerestiefen leben die köstlichen Gambas Rojas.
Bei den Fallas darf jede Gestalt so sein wie ihr Schöpfer es will, wie diese aufreizende Seejungfrau der mittelmeerischen Tiefen der Montgó-Fortsetzung. Der Spielraum für individuelle Interpretationen der Kunstobjekte ist für Betrachter groß.

Recht spanisch, zumindest valenciano, meinen wir.
Manche Spezies bedarf wohl keiner Interpretation
Erst recht wenn man so sexy ist
Nur ein spanischer Politiker?
Solch vertraute Klischee-Darstellungen finden hierzulande weitgehend unkomplizierte Beachtung. Erst recht wenn sie sich mit unrühmlichen Erobererzeiten der spanischen Krone auseinandersetzen.
Schönes Pendant zu zahlreichen hellen femininen Fallas-Darstellungen
Diese Schöpfung demonstriert die globale Menschenfamilie sympathisch mit den klischeehaften Darstellungen ihrer vielfältigen Völker
Auch die unübersehbare Iglesia ist im Boot
Die Fallas mit ihren Bruderschaften (hermanidades) sind ein gesellschaftliches Ereignis. Mädchen wie Buben sind von Kindesbeinen an in die traditionellen Bräuche und Umgangsformen eingebunden.
Stolz und „gesundes Selbstbewusstsein“ sind spürbar
Der spontan kritische Blick in die Kamera verwandelt sich danach schnell in ein Lächeln
Bei jung und alt feiert Ausgelassenheit mit
Toleranz reicht bis in die Haarspitzen
In diesen Tagen stehen die Falleras im Rampenlicht
Bestens betreute behinderte Bürger der Stadt genießen die Sonne und die „Primera linea“ für eine bevorstehende Parade
Zum ersten Mal sehen wir dunkle in Schokolade getauchte Churros, ein sonst helles frittiertes Spritzgebäck

Zu Trompeten, Posaunen und Trommeln tanzende Falleras in ihren kostbaren Kostümen

Wir stärken uns nach all den immer wieder neuen Eindrücken mit einer Fideuà bei Alfonso im L‘ Anfora. Sie schmeckt immer noch genau so wie einst bei Vater Pascual.

Ist die Nudel-Paella vielleicht als tolerantes Zugeständnis übermächtiger valencianischer Reisliebhaber an Pastafans entstanden … kommt uns in den Sinn
Auch der hausgemachte Flan (casera) ist essbare gute spanische Tradition, einfach und dabei köstlich
Bei der Tarta de Queso geraten die alten Rezepte leider in Vergessenheit. Das jetzt cremige Ereignis findet im Glas statt. Der Genuss allerdings entschädigt.
Ella tiene hambre“ sagt der aus Algerien stammende langjährig tätige Oberkellner. Natürlich lassen wir die spanische Türkentaube von unseren Erdnüssen naschen.
Laut Las Provincias vom nächsten Tag hat die Cremà um Punkt Mitternacht alle begeistert. Die am Naturpark Montgó und andernorts feuergeübten Bomberos hatten die Flammen bestens unter Kontrolle. Die Palmen wurden wie immer mit Wasser gekühlt.

Anstatt der artgerecht anpassungsfähigen und geflohenen Türkentauben schweben im Titelbild imaginäre Palomas blancas über den kunstgerecht gelegten Feuersbrünsten.

Vielleicht trägt die Freude am Zündeln doch ein bisschen zu den zahlreichen Waldbränden im Sommer bei?
Anderntags ist alles vorbei und – wie hier auf dem Campo bei Paco Moncho um die Ecke – nichts mehr zu sehen. Den Reinigungsdiensten gilt uneingeschränkte Hochachtung.
Die kleinen alltäglichen „jodas“ bleiben natürlich.

Hier: Wie kann man nur die WC-Benutzung auf seine Champagner-Klienten beschränken?
Unweit bei der alten Lonja erinnern wir uns, wie Jugendliche den jetzt zur mahnenden Kunst verarbeiteten Unrat aus dem Hafen ertauchten
Unwohl ist uns bei diesem wunderschönen Katamaran
Die Aufschrift „European Regional Development Fund“ macht stutzig: Was gibt es wohl hier von der andalusischen Regierung (Junta de Andalucía) in einem Hafen des Landes Valencia regional zu entwickeln?
Da brechen wir lieber noch eine Lanze für die Finnwale. Sie brauchen auf ihrem Weg zwischen Ibiza und Dénia zur Meerenge von Gibraltar dringend Schutz. Neue Bemalungen von Touristenbooten helfen wenig und suggerieren spektakuläres Whale Watching.

Sin duda, sin embargo:

¡Viva las Fallas!

Bunt belebt die Welt

Graffitis beleben unsere Umgebung und inspirieren. Aber nicht nur die. Wir ziehen den Kreis farbenfroher Gestaltung um die Graffitis herum grenzenlos weit. Spanien und Valencia inspirieren dazu. Vielfalt gedeiht hier besonders gut. Genauer hinschauen lohnt.

Graffiti steht als Sammelbegriff für thematisch und gestalterisch unterschiedliche sichtbare Elemente, zum Beispiel Bilder, Schriftzüge oder Zeichen, die mit verschiedenen Techniken auf Oberflächen oder durch deren Veränderung im privaten und öffentlichen Raum erstellt wurden. Die Graffiti werden zumeist unter Pseudonym und illegal gefertigt.“ Quelle: Wikipedia

Weiten wir unseren visuellen Horizont!

Auf unser Auge kommt’s an

Hier sind (hoffentlich nicht allzu konfus geordnete) Beispiele jeglicher Gestaltungs-Couleur im Freien um uns herum

Eine vermutlich wirksame Absperrung des kleinen öffentlichen Spielplatzes …

Höchst eindrucksvoll, aber für manches Kleinkind vielleicht zu heftig
Wie wär´s damit
Was ganz anderes bitte?
Die körperlichen Graffitis der valencianischen Fallas begeistern alle und ziehen nicht nur Einheimische an – hier eine der Fallas-Gruppen in Pego

Die bunten Skulpturen führen zwar ein nur kurzes aber dafür umso intensiveres Dasein bis zum nahen Feuertod
Lebensnahe Wohn- oder Sammler-Ensembles wie dieses am Rand der kleinen spanischen Stadt begreifen wir als eine Art kreativ unordentlich geordnete Müllgestaltung (la basura)

Zugegeben, man kann dieses private Arrangement auch als Verschandelung der Umwelt sehen

Zumindest ist es ein Zeichen unserer Zeit
Valencianisches Balkonien
Wie lange wird es diese sympathischen und durch die Farbe Rot und deftige Schlagzeilen dennoch schreienden stummen Verkäufer noch geben?

Die Contents dieser Pseudo-Infos sind ohnehin meist so vergänglich wie Graffitis und Fallas

Beständiger ist hoffentlich diese fotografische Gestaltung authentischer Werbung für Zuckerrohrsaft und produzierendem Händlerpaar an einer Dorfecke irgendwo auf Kuba

Hinter diesem Graffiti in La Habana versteckt sich die parteinahe Friseurinnung

Auch die unmissverständliche Aufforderung zum kurzen Haarschnitt schließt Kreativität offenbar nicht aus
Grafiti o publicidad?
Tischgestaltung eines Restaurants mit vermutbarer Klientel
Süßes einfach mit dem bloßen Produkt schoko-nussig gestaltetes Schaufenster mit hohem Appetite Appeal (bretonische Spezialität)
quo vadis

Der Frage nach dem Wohin beschäftigt in unserer Zeit viele, auch hier in Spanien
Verwertende Gestaltung von Produktionsmitteln der bunten Kunst
Gastronomie in der Münchner Türkenstraße …
… und im Münchner Werksviertel
Stolzes bäuerliches und angemessen appetitliches Ordens-Graffiti: Die Milch macht´s
Hier macht’s die eigenständige Kombination der Gestaltungselemente: Frohe Ostern in Bayern
Variante mit Tiger vorm Haus fürs ganze Jahr
Impressionistisch sanft und genießend anmutendes Gedenken im Nordfriedhof der großen Stadt
Wartender Ruheplatz mit gestalteter Sitzordnung im Ländlichen
Professionelle Indoorart outdoor am Starnberger See – aus der Summe der Bilder des Malers Javid Mamasani und seiner Kollegen entsteht ein neues Bild im Freien
Aus Metall gestaltete Museums-Akrobatik gegenüber in Bernried (brennt nicht, rostet nur)
Das Jahrzehnt des Fahrrads: Kunst, Zeiterscheinung oder
… nur liebevolle Gestaltung?

Bunte Zweipferdestärken
Eine authentische Cockpit-Gestaltung differenziert die strömungsbedingte Uniformität unserer Autowelt
Joven española en la plaza del pueblo
An einem heißen August-Sonntag im Gespräch mit Freunden

Quelle: https://www.fotocommunity.de/photo/joven-espaola-en-la-plaza-del-pueblo-hdmaier/45541784

Schweres Gerät mit Graffiti und kubanischem Charme
Die Gestaltung technischer Teile ist dimensionsunabhängig und kennt keine Grenzen
Auch auf lebendige Bäume anwendbar
An der Vorort-Schule in La Xara: Gestrickt, gehäkelt und geflochten
Spanische Briefkästen gestalten sich hier selbst (el buzón)
… und werden gestaltet: Die neue Verteiltechnologie, moderne Alternative zur digitalen Post, wird jetzt State of the art
Postkunst in Alemania
Ohne Postanschrift
Heimeligere Welt an einer Rathauswand im Süden Frankreichs (wo ist wohl das vierte Menschlein?)
Beliebter Michael-Jackson-Altar, nicht nur für nahe Hotelgäste
Deutsche Zwergen-Gedächtnisstätte mit Aufsicht – nicht am Bayerischen Hof
Nicht aus der Zwergenfabelwelt
Andalusische Traumwelt
Reale Arbeitswelt

Graffiti im Olivenhain

Augen auf für Graffiti & Co

Jeder ist sein eigener Nick Knatterton einer bunten Grafitti & Co-Welt

Divertirse y disfrutarlo!

Valencianische Graffiti-Skulpturen

Die Fallas – Bunte Kreativität mit kurzer Verfallszeit

Die Fallas sind ein bedeutendes valencianisches Frühlingsfest. Vor allem in den küstennahen Orten der Comunidad werden sie traditionell jedes Jahr zum Josefstag im März gefeiert (dia Sant Josep, 19 de marzo). Nach der Absage letztes Jahr wurden sie heuer in diesen Septembertagen in zahlreichen Pueblos begeistert nachgeholt, wenn auch coronabedingt eingeschränkt.

Hauptattraktion sind die teils haushohen Skulpturen aus Pappmaché und anderen brennbaren Materialien. Sie werden am letzten Tag feierlich angezündet (la cremà). Manche prämierten Werke retten sich ins Museum. Obligatorisch sind ohrenbetäubende Feuerwerke (la mascletà) die den blauen Himmel verdunkeln.

Früher waren die Figuren eher aus Holz gezimmert. Eine Hypothese zur Entstehung des spektakulären Brauches nimmt an, dass holzverarbeitende Berufe nach dem Winter auf kreative (und werbende?) Art und Weise ihre Werkstätten aufräumten.

Eine Parallele zu Bayern: In Berchtesgaden waren es interessanterweise ebenfalls Zimmerleute, die am Josefstag ein geweihtes Baumwollbrot verschenkten. Und mancherorts erhielten Josefs am 19. März (anstelle gestalterischer Fallas wie akustischer Genüsse …) Freifahrten, freien Eintritt oder Freigetränke.

Laut Augsburger Allgemeine aus dem Jahr 2018 bekommen Josefs, Josefas und Josefinen auf Kloster Andechs noch heute eine Maß geschenkt und am Wendelstein können Bepperl kostenlos Bergbahn fahren. Ob’s wohl noch stimmt? Immerhin hat auf Andechs der Pächter gewechselt. Quelle: www.brauchtumsseiten.de

Gestalterische Körperlichkeit aus Gips und Pappmaché
(aus Dénia vor vielen Jahren)
A bisserl was geht immer:

Hier in Pego, wie auch in der Hochburg Valencia und anderen Pueblos, fanden die Fallas 2020 soeben als Sommerfest statt.
Die Falleras, authentische Pegolinas, sind die Hauptpersonen der Fallas.

An der Spitze stehen die Fallera Major und die Fallera Major Infantil, für den Nachwuchs von entscheidender Bedeutung.
Auch die Kleinen bekommen ihr angemessenes Kunstwerk
Manch einer posiert stolz vor den großartigen Gestalten
Die Entwicklung femininer Unterwäsche aufgrund des Klimawandels …
Am Sonntag, nachts um 12, ist dann alles vorbei, auch mit den Unterkleidern
Zurück zu unserem Thema der malerischen Gestaltung von Mauern und Wänden in der Öffentlichkeit.

Hier, in Pego, ist offenbar eine Bruderschaft (hermanidad) des anderen großen Jahresereignisses Moros y Cristianos zuhause.

Die Hausbemalung erinnert an den Osmanischen Krieg. Tripolis, im heutigen Libyen, geriet 1509 unter spanische Herrschaft. Nachdem Kaiser Karl V. die Stadt 1530 den Johannitern als Lehen überlassen hatte, wurde sie 1551 von den Türken erobert.

Nicht weit von Pego, etwas mehr im Landesinnern – in Alcoy, wird im Rahmen der Moros y Cristianos eine Türken-Schlacht jährlich höchst spektakulär nachgestellt.
Im Alltag werden auf Pegos Straßen, wie auch in anderen Orten, häufig brisante Gender-Themen gestalterisch umgesetzt. Die Dörfer und Städte konkurrieren geradezu miteinander.

Wenn Kunst und Malerei tatsächlich was bewirkt …
Öffentlich getragen auch eine Art von Graffiti?

Das nahe kleine Pueblo Adsubia setzt lieber, sich vom größeren Bruder Pego differenzierend, auf hausgemachte Theateraufführungen und volkstümliche Konzerte.

Am 5. September ist sogar der große Pep Gimeno „Botifarra“ aus Xativa (auf dem Weg nach Valencia) mit dem einfühlsamen Gitarristen aus Dénia zu Gast.

Botifarra ist eigentlich eine katalanische Wurstspezialität, was als Key Word vermutlich die bodenständige Positionierung des Sängers und Texters unterstreicht.
Unterschiedliche persönliche Gestaltungsphilosophien?

Wir lieben die leichte Art wie sowas abläuft. Einfach wunderbar. Das „große Event“ setzt sich aus lauter einzelnen kleinen Treffen von Nachbarn (vecinos) und Fans zu einem gemeinsamen Ganzen zusammen.

Jeder oder jede Gruppe unterhält sich auf seine und ihre Art vor sich hin (tu vois qu´est-ce que je veu dire?). Ich kann auch anschauliche Fotos machen, keiner schaut kritisch drein.

Ich bitte den regional orientierten spanischen Star um ein Foto, zusammen mit einer von ihm begeisterten Vecina namens Xelo …
Nachts spät zuhause entdecken wir einen für uns nicht minder spektakulären Gast.

Eine winzige weiße Schönheit kriecht aus dem regionalen Bio-Gemüse und ich setze sie behutsam auf die kolumbianische Rose von unserer tollen Blumenfrau in der Markthalle.

Auch ganz schön malerisch, oder?

Vielleicht bis nächstes Mal!