Minga moments

Hier ein kurzes sommerliches Intermezzo: Fotographische, auch skurrile Momente eines heißen Sonntagmorgens. Spontaner Entschluss zu einem Frühstück in der Stadt! Karawanen von Münchnern fahren raus zum See, wir wagen das Gegenteil. Auf nach Minga! Irgendwie und irgendwo gibt´s dort, für uns Landeier, immer was Neues, zuweilen sogar subjektiv Spektakuläres.

München-spezifisch Bemerkenswertes koppelt der Autor bewusst und gern an den so untypisch bayerisch bescheiden klingenden uralten Namen unseres Frühstückszielorts. Auch einer nicht unrenommierten süddeutschen Tageszeitung zum Trotz. Denn diese schreibt am 28. Juli 2023 Minga sei eine No-go-Vokabel. Kein Münchner, der seine Stadt liebe würde dieses Unwort dulden. Bösartige Untertöne würden da mitschwingen. Eine Eigenheit auch der Zeitung immer alles besser wissen zu wollen.

Sei´s drum. Wir sind ja ohnehin keine Münchner mehr.

Erstes subjektiv bemerkenswertes Ereignis:

Die Brezel gehört unbestritten zu weiten Teilen Bayerns und zu München. Obwohl sie als christliche Fastenspeise eher aus den Nachbarlanden um den Freistaat herum stammt. Schließlich hatten die Bayern zum Fasten ihr gutes Bier mit überzeugendem Reason-why.

So erkläre ich mir auch, dass die Brezel in einer an Schwabings Leopoldstraße noch jungen, am Marienplatz aber schon längst renommierten Adresse einfältig rund ist. Eben keine angestammte bayerische Kompetenz, denke ich. Recht vordergründig um aufgeschnitten eine längerflächige Unterlage mit köstlicher (und heutzutage nicht ganz preisgünstiger guter Allgäuer Bio-) Butter bestreichen zu können – höchst unschwäbisch und hypergenüsslich
.

(Derart verunstaltet und als Ikone des einfachen Genusses diskriminiert, hat der irritierte Autor das Objekt vor der die Rundform beweisenden Ablichtung verärgert zerlegt)

Das Vergehen an den einzelnen spezifischen lukullischen Genüsslichkeitspotenzialen der von dick bis dünn üppig bis grazil knusprig in sich verschlungenen Körperteile einer original-schwäbischen Brezel kann durch das gleichzeitige Shop-Angebot einer aufgemotzten „Bayerischen Schnittlauchbreze“ beileibe nicht gesühnt werden. Der Leser urteile selbst:

So sieht die Form einer aus dem württembergischen Immendingen auf unserer kürzlichen Rückfahrt von Spanien importierten Brezel aus.

Lediglich die Oberflächenstruktur und die Farbe haben durch das zwischenzeitliche Schockgefrieren etwas gelitten. Die differenzierten mund-, zungen- und gaumen-haptischen lukullischen Erlebnismomente sind noch uneingeschränkt gegeben.

(Der für Technologie-Fans möglicherweise aufwertende Hintergrund ist rein zufällig)

Dieses typisch schöne wie wohlschmeckende Exemplar wurde für den häuslichen Genuss frisch beim nahen Münsinger Altwirt erworben. Die renommierte Metzgerei mit ebensolchem Gasthof hat die besten Weißwürst weit und breit.

Chef Joseph und sein steirischer Koch Manfred würden mit deren wichtigstem Accessoire (neben einem gscheiten Senf) in Form, Qualität und differenzierter Genussfähigkeit keinerlei Risiko für ihr Ansehen als beste oberbairische Küche eingehen.

Deshalb rätselt der Autor weiter, ob das Exemplar tatsächlich direkt vor Ort gebacken oder aus dem angrenzenden kompetenten Bundesland eingeführt worden ist.
(Dies war zumindest früher nicht ganz unüblich)
Zurück in die Schwabinger Leopoldstraße. Da schaut sich der Marketingmensch statt der einförmigen runden Breze lieber das differenzierte Consumer Behaviour der Minganer vor der ansonsten hohen Appetite Appeal ausstrahlenden Backwaren-Theke an
Mobilität ist bei den üppigen Minganer Baustellen eine Überlebensfrage. Flink eilt die Kundin mitsamt ihrer Radelrutschn der schon wartenden Kassiererin entgegen

Radlrutschn (schwäbisch Radelrutsch): Nach seinem Dreirad (ohne Einbeziehung des Korbkinderwagens und des sog. außen ebenfalls geflochtenen Sportwagens) ist sie des Autors zweites Fortbewegungsmittel mit Rädern. Sie kann als die nachkriegliche Vorgängerin der heutigen Wahnsinnsflitzer auf den Trottoirs und überall um uns herum gelten. Schön wär’s gewesen denke ich etwas weit hergeholt vor mich hin, wenn man auch der Diesel-Technologie eine solche Entwicklungschance gegeben hätte.
Nächstes Mal frühstücken wir vielleicht im Brez´n-Wirtshaus ein paar Schritte weiter.
Schaun mer mal
Dann, an der quirligen Münchner Freiheit, kommt die echte Brezenform in menschennaher Umgebung zu ihrem verdienten Auftritt
Direkt an der Freiheit selbst und vor dem Outlet eines nicht unbekannten Gastronomen finden zwei beeindruckende Speisungen Minganer Obdachloser statt

Ein herzliches Danke an die Veranstalter und deren Förderer!
Two in one – freie Kost und gleichzeitig kostenlos (oder ohne ein schlechtes Gewissen) das Neueste aus Minga studieren
Sogar Parkplätze für die heutzutage vielfältigen und ausladenden Rad-Spezies stehen in bester Lage unentgeltlich zur Verfügung
Hat das Angebot, wahrscheinlich aufgrund der Hitze verpennt
Stolzer Selbstdarsteller in zünftiger bis edler gleichfalls werbender Gesellschaft
Das teuflisch beeindruckende Graffiti im Fußgängertunnel begleitet uns hoch zu einer wunderbaren jüngeren Minganer Kirche
Die Evangelisch-Lutherische Erlöserkirche anfangs der Ungererstraße ist die älteste evangelische Pfarrkirche Schwabings. 1899-1901 wird sie nach Plänen von Theodor Fischer errichtet. Sie gilt als eine Mischung aus Historismus und Jugendstil.
Auch Balkone und deren Möblierung können faszinieren. Gleich gegenüber der „protestantischen“ Erlöserkirche besticht dieser durch seinen Minimalismus
Braucht keine Möblierung – typisch Schwabinger Kaiserstraße
Hier fasziniert die neubyzantinische Kirche (1835-1850) mit ihrer Benediktinerabtei. Bonifatius, der Namensgeber dieser Schwabinger Institution, gilt interessanterweise als Apostel der Deutschen
Beeindruckend voll an einem heißen Tag
Draußen vor der Tür
Frage mich immer noch, ob ich den Mann hätte ansprechen müssen
Am neu gestalteten Elisabethmarkt ist manches anders geworden. Am Rande konkurrieren, mit einfachen fotografischen Mitteln nur unzureichend erfassbar, Geschäfte namens true society und NEOSOCIETY MUNICH. Begreife schließlich die links gelegene Geschäftsidee als einen Wahrhaftigkeit versprechenden Brautausstatter.

Geblieben ist Gott sei Dank die Schule gegenüber und das Wirtshaus mittendrin. Für ein Weißwurst-Frühstück ist leider alles belegt. Wir freuen uns trotzdem drüber.
Am Kurfürstenplatz ist der kleine Italiener ein ewig junger Hingucker
Sympathisches Balkonleben unweit der vertrauten alten Heimat
Im renommierten und jetzt renovierten Haus Nummer 33 gibt’s um halbzwölf die seit dem zweifelhaften Brezenfrühstück ersehnten Weißwürst nur noch im Winter zum Brunch.

Dies erklärt uns höflich und bestimmt eine junge Adrette im Empfangsdamen-Stil. Früher waren die Bedienungen der Max Emanuel Brauerei münchnerisch-kauzig, wie es sich zumindest damals gehörte. Aber das gibt´s nicht mal mehr im Residenz Weinkeller.
Dann wird’s halt wieder mal der Mario in Nummer 15. Ganz oben haben wir zwanzig Jahre lang gelebt.

Schon an der Hofterrasse zur Amalien-Passage kommt mit ausgestreckten Armen „unser ewiger“ wunderbarer Kellner Athanasios auf uns zu. Drinnen eilt der ebenfalls vertraute Auch-Nikon-Fan hinter seinem Tresen hervor. Besser kann jetzt die historisch erste und beste Holzkohlen-Pizza Münchens nicht schmecken.

Luja, sog´ i – tutto bene
Come sempre, halbe Quattro Stagioni und a Viertele im Mario-Krügle
Bei 33 Grad fahren wir gerne zurück aufs Land.
Und natürlich gibt’s beim Altwirt auch im Sommer d´Weißwurst ohne Brunch, sogar Kalbshirn und Kalbskopf

Köstliches Landleben

Auch die Münchner werden ihre Stadt in wenigen Stunden zurückerobern. Manche, wie wir damals auch, als eine eigenständige g´standene Mixtur von werblich positionierten Weltstädtern mit Herz und urbanen Narzissten mit einem Schuss Kini-Glamour im Hinterkopf. Man könnte es liebevoll Minga-Touch nennen.

Allerdings, wir konnten noch ohne das aktuelle Renovierungs- und Baustellen-Desaster leben. Hier zahlen die Neuen für die Versäumnisse unserer relaxteren Minga-Zeit.

Minga negativ geladen? No way. Wahrscheinlich kommt der Name ganz einfach von Mench, auch das Stadtwappen signalisiert das. 

Wie aber wird nur ein mönchsähnliches Münchner Kindl draus?

Der Autor wertet dies ohne weitere lästige analytische Recherche als typischen Versuch der Minganer immer was noch Besseres sein zu wollen. Einschlägige Beobachtungen in marketingnahen kommunalen Gremien lassen ihn das mit Begeisterung vermuten. Und, was der eingangs genannten Zeitung recht ist, ist dem gelegentlichen Blogger schon lange billig.

A bisserl Spektakuläres gehört hierzulande halt einfach dazu – oder ?