Schnee auf dem Puig Major

Die etwas andere Image-Insel

Die zweite versuchte Anlandung in Palma klappt. Allerdings meldet rtve den kältesten Morgen des Winters. Die Woche vorher haben über sechs Meter hohe Inselwellen unsere immer wieder hinaus geschobene Fährfahrt verhindert.

Eigentlich könnte alles sehr einfach sein. Wir kämen sogar zu Fuß auf die Insel. Drei Minuten runter zum Meer, unserem Stadtstrand entlang, am Club Nautico und Fischerhafen vorbei, das alte Fischerviertel linker Hand, dann auf die Mole zum Hafen der Balearia – hier legen die Fähren zur Baleareninsel ab. Auch dort ein eher kurzer Weg: Das wegen der späten Inselankunft ausnahmsweise schon gebuchte Hotel liegt an Palmas Passeig Maritim Nummer 11.

Früher war’s zur Fähre noch näher. Aber wir nehmen ja ohnehin den Offroader mit, für die touristisch weniger ausgetretenen Inselpfade.

Und, statt hoher Wellen im Mittelmeer soll‘s jetzt Schnee geben. Als dies Antonio, Ehemann von Doris und aufgewachsen in der nahen Carrer Sandunga 51 ein paar Tage zuvor vermutet, lachen wir ungläubig. Spanier übertreiben manchmal, haben aber auch Recht.

Zugegeben: Schnee in der Serra Tramuntana halte ich bislang für so unwahrscheinlich wie in jüngeren Jahren Hemingway’s Schnee auf dem Kilimandscharo. Der gleichnamige Film von Henry King wühlt den jungen HDM damals ziemlich auf. Vor 70 Jahren kommt er in deutsche Kinos.

Jetzt ist auch der nahe mallorquinische Puig Major auf der Sonneninsel weiße Wirklichkeit. Die Schneekappe des hohen fernen Zentralafrikaners hingegen schmilzt leider dahin.

Eigentlich passt der Schnee ja in unsere Planung. Schließlich ist das etwas andere normale Anti-Image-Mallorca unser Ziel.

Der jetzt weiß gepuderte Puig Major
Die Guardia Civil vor dem Schneeberg haben wir allerdings nicht auf der Rechnung. Tagsdrauf erfahren wir dass in Gipfelnähe schon am frühen Morgen 52 Unfälle für Chaos sorgen.
Rührend bauen die Mallorquiner während des beträchtlichen Staus den Schneemann ihres Lebens
Das weiße Wunder soll wohl – hoffnungsfroh in Einzelteile zerlegt – den heimischen Palmengarten zieren oder die Gott sei Dank zuhause gebliebenen Abuelos erfreuen
Auf der engen gesperrten Straße sind die Wendemöglichkeiten höchst beschränkt. Wir stehen mittendrin, erleben Inselchaos pur.

Die Insulaner nehmen alles recht gelassen. ¡Qué hermosa salida de domingo! Schließlich sind in 20 Jahren 328.000 Automobile dazu gekommen. In 2022 werden erheblich mehr Fahrzeuge zugelassen als in den bevölkerungsgleichen Ländern Asturien, Extremadura und Aragón zusammen. Und die bieten ungleich viel mehr Auslauf.
Zusätzlich sorgt die in diesen Tagen in dieser gebirgigen Inselregion stattfindende XXXII. Challenge Ciclista Mallorca für ständige Sperrungen. Spanisch resolut und konsequent (wenn schon, dann schon – si es así entonces si).

HDM mag normalerweise konsequente und zielgerichtete Handlungen. So lassen wir uns auch dieses Event nicht entgehen. Schließlich ist auch BORA hansgrohe aus Raubling mit dabei.

(Zum thematischen Umfeld zielgerichteten Handelns im Marketing siehe z. B. https://www.hdm-marketing.de/marketing-uebersicht/20-hdm-beliefs-des-guten-managers/ )
Die mallorquinische Wildziege (Capra aegagrus) stört sich an dem ganzen Treiben um Coches und Ciclistas herum reichlich wenig. Ihre Neugier lässt HDM auf ein Weibchen schließen.

Später recherchiere ich, dass die Ausgestaltung der Hörner männlich ist. Die Enden des femininen Geweihs sind erwartungsgemäß friedlich nach unten gerichtet.
Noch ein Bock. Wie wenn sich die Machos in den Vordergrund drängen wollten. Schon vor Christus hat man die Spezies auf die Insel gebracht, Zeit genug für Anpassung an die Trauminsel der Deutschen und produktive Hembras.

Trotz Bejagung hat die Population zugenommen, wie die Wildschweine bei uns im Land Valencia und anderenorts, z. B. in der Hauptstadt deutscher Inselfans.
Eines schönen Abends überraschen wir eine kleine Herde auf dem Parkplatz unserer späteren Klosterbleibe. Dass drei dieser Tiere in SUV-Nähe männlich sind, ist wohl reiner Zufall.
Heute fahren wir von Palma gen Osten, vorbei am Oberbayern und ähnlichen Etablissements des Gott sei Dank winterlich ausgestorbenen Arenalstrands
Bis zur Semana Santa Anfang April wird auch hier alles bereit sein. Keine Angst, im Straßenbau sind die Spanier echte Champeones.
Dazu ein kurzer Schlenker aufs Festland:

Auf dieser langen geraden Straße zum Pueblo unserer Finca, Pego, haben wir noch nie einen Stau erlebt. Jetzt wird dorthin in wenigen Monaten eine Art Autobahn mit Radwegen, Trottoirs und einem weiteren großen Kreisel betoniert und asphaltiert.

Von den französischen Nachbarn abgeguckt, werden an den Seiten und in der Mitte der beiden Fahrbahnen hohe Randsteine verlegt. Rettungsfahrzeuge können dann weder wenden noch überholen. Und wollen wir Anlieger, von der „falschen“ Seite kommend, in einen der landwirtschaftlichen Wege abbiegen, fahren wir jetzt mehrere Kilometer mehr.


Das alles für wen wohl und auf wessen Kosten? Vermutlich werden hier EU-Gelder kameralistisch betreut. ¿Quienes son estos locos? Vermute ich weiß es.
‎⁨Zurück auf die Insel. Unser Ziel ist heute Manacor. Eine ganz normale mallorquinische Stadt, sagt uns einer von dort in Palma. Auf dem Weg machen wir Zwischenstops an einigen berühmten Platjas des Südens westlich und östlich von Colònia de Sant Jordi. Im Bild die Salines des Salobrar.
In Zeiten extremer, derzeit aber populistisch infrage gestellter Globalisierung begeistert uns, wie hier Baustoffe direkt neben dran gewonnen wurden. Heutzutage sind Begrenzungsmauern, ob am Meer oder in den Bergen, aus schnödem Beton mit bemerkenswert mieser Ökobilanz. Vermutlich wäre ein Abbau aus heutiger Sicht wieder sinnvoll.
Einfache Ansiedlungen sind häufig noch aus regionalen Naturmaterialien
‎⁨Auch die mehr oder weniger einladenden 👹Treppen und die Kirchen dazu, wie die von Felanitx⁩
Zwischen dunklen aber aufhellenden Regenwolken besteigen wir das einsam bei Felanitx gelegene Heiligtum Sant Salvador
Erste Mandelblüten stimmen hoffnungsfroh. Entscheidend ist, dass die Knospen in diesen kalten Nächten nicht erfrieren. Ein Schädling und vermutlich auch das Klima haben schon genug Mandelbäume gefährdet und zerstört.

Zahlreiche Exemplare des Prunus dulcis (span. almendro, kat. ametler) der Insel, aber auch auf dem Festland, sind mit ihren hundert Jahren ziemlich alt. Die Ernten der Cooperativas sind in zehn Jahren, auch durch schrumpfende Anbauflächen, auf ein Drittel bis zu einem Viertel zurückgegangen (4.500 Tonnen in 2020, Quelle: amp.mallorcamagazin.com und mallorcazeitung.es). Offenbar sind durch Kreuzungen auch nicht professionell gezüchtete und deshalb anfällige Sorten entstanden.

Als dann 2016 das Feuerbakterium Xylella fastidiosa geortet wird kommt Panik auf. Das Bakterium hat in Italien unzählige Olivenbäume befallen und greift auch Mandelbäume an.

Manche Landwirte haben auf Algarrobas (Johannisbrot), Olivos und Weinreben umgestellt. Neue aufwändig anzulegende Mandelplantagen mit Sorten aus Baumschulen des Festlands sollen jedoch – natürlich mit EU-Unterstützung – überwiegen.


Sie wachsen niedriger, höchstens zweieinhalb Meter. Die Baumabstände sind geringer und regelmäßiger. Schafherden passen dazu, aus mehreren Gründen, nicht mehr so recht. Mit nur drei Jahrzehnten Ertragsaussichten wird das Bild des knorrigen Almendro Vergangenheit. Die Mandelblüte verschiebt sich von Februar auf März. Dann sind an warmen Tagen mehr Bienen und Bestäuber*innen unterwegs. Así es la vida.
Sterbendes Mallorca-Klischee mit Schafen bei Bunyola?
Abends, in Manacor, werden wir wieder mal tierisch lieb erwartet. Eine Bleibe tut jetzt Not. Wir haben ein kleines Hotel gefunden und stehen im Halteverbot der engen Carrer direkt davor. Aber niemand rührt sich dort.

Es heißt My Rooms Manacor. Wie aber an ein Zimmer kommen? Befragte Vecinos vermuten über’s Internet.

Hier spielt sich dann folgender Dialog ab:

> Quire reservation por esta noche!
Estamos ante tu hotel. Que hacer???
Von meinem iPhone gesendet

> Ya le enviamos el mensaje de acceso. Si no desea esperar la proxima vez le recomiemdo reservar antes. Un saludo y muchas gracias

Tatsächlich finden wir einen Code und gelangen über eine Schlüsselbox in die kalte Habitacion no. 9

Dort maile ich dann:
> Numero 9: La Califacion no functiona, es muy frio!

Darauf schreibt My Rooms Manacor, was wir natürlich nicht wissen konnten … :
> Tiene que poner en modo „calor“.

Frage erstaunt und digital zurück:
> Calor es el signo de sol?

Danach noch ein Foto der Fernbedienung, die ich seit einer Viertel Stunde in Händen halte und dann … Schweigen.

Wie in solchen Fällen üblich: HDM prüft nun selbst, sich mal wieder an sein Maschinenbau-Studium erinnernd, höchst systematisch sämtliche sinnvollen Einstellungen. Das AC-Gerät öffnet schließlich zumindest eine Klappe, leider nur der Gaudi halber.

Jetzt ist, ebenfalls wie üblich, d‘ Frau dran. Langsam geht was, poco a poco. Über die Erklärung dafür kann HDM nur spekulieren, lässt es aber. Die Hauptsache, es wird jetzt warm. Luja, sog i

Leise denke ich noch vor mich hin: Nie wurde der schöne und würdige Begriff SERVICE, z. B. in Hotels, so malträtiert wie in unseren Tagen.
Am nächsten Morgen – aus eigener Intuition wohlgewärmt: Das Empfangskomitee am Eingang des Ayuntamiento (mit Serviceblick, denke ich)
Mittendrin und menschennah eingezwängt die Parroquia de Nostra Senyora dels Dolors de Manacor⁩
‎⁨Eine stolze Kreuzbasilika
‎Das ebenso eigenständige Kruzifix
In diesem prächtigen Bankgebäude der kleinen mallorquinischen Stadt ist heutzutage eine Banco Santander Filiale untergebracht … vielleicht hat Manacor´s großer Sohn Tenista Rafael Nadal sein Konto hier
Knorrige Jahrhunderte von jungen Alpenveilchen umgeben. In Nachkriegszeiten waren sie die bevorzugte Topfpflanze meiner Mutter. Auch die Spanier mögen und pflegen diese sympathische Spezies in allen Farben.
Öffentliche Ruhebänke werden häufig lustig gestaltet statt „nur“ gespendet
Dann ein Ereignis in Erinnerung an die Zeit als HDM noch Architekt werden will
Aus einer ehemaligen Bäckerei wird eine Café-Bar. Hier die Wand des ehemaligen Backofens.

Wir sind hungrig und Einheimische empfehlen das Can Lliro mit einem Augenzwinkern.
Die gut isolierende Backofenwand wird hier trefflich genutzt
Jetzt Bar anstelle von Brot
Das Can Lliro ist ein Beispiel der Architektur-Bewegung Habiter sans démolir (Wohnen ohne zerstören)
Nicht nur heute, wenn im Copa del Rey Real gegen Barça spielt, ist das Lokal beliebt
Den Dueño freut‘s
Das Essen ist zünftig und schmeckt – HDM probiert eine seiner lebenslangen Leibspeisen, auch hierzulande früher ein Armeleute-Essen (por los pobres) – mallorquinische Callos
El dueño kassiert, el jefe y hijo zapft und Barça gewinnt. Sowas mag man hier.
Anderntags fahren wir von Manacor aus weiter Richtung Nordost. Vorbei an einer der auf der Insel nicht ungewöhnlichen Betätigungen, nicht zufällig nahe⁩ Cala Millor.

Die Früchte der Olivos stören heuer sicherlich nicht – die letzte Ernte fiel, auch bei unseren valencianischen Bäumen, sehr schlecht aus.
Die menschenleere Cala Millor, in dieser ruhigen Zeit ein zweifellos schöner breiter langer Strand. Die Hauptsaison möchte sich HDM ungern vorstellen.
Wir wagen ein Strand-Selfie
Touristische Traumstrände hin, Traumstrände her. Selbst nahe Cementeris sind weit weg und sagen viel über die Menschen des Landes aus.
Es wird dunkel und wir suchen wieder mal eine Bleibe. Da kommt ein Kloster gerade recht.
In solider Umgebung beziehen wir ganz oben die letzte Zelle rechts

Demnächst:

Ums Kloster rum und dann zurück nach Palma