Auch Tarragona ist eine Reise wert

Lyon war ausgemachtes Zwischenziel unserer diesmaligen Spanienreise. Zwei Tage später holen wir dann den Besuch des Musée d’Art Moderne de Céret nach. Jetzt entscheiden wir uns noch für Tarragona. Es erweist sich, das gestresste Barcelona links liegen lassend, als lohnende katalanische Zwischenstation ins Land Valencia.

Natürlich warten bis Tarragona weitere Stationen auf uns: Auf der spanischen Seite des Col d´Ares besuchen wir wiederholt die Pfarrkirche Santa Cecílla de Mollò. Einer Märtyrerin und römischen Jungfrau geweiht, ist sie heute nationales Denkmal romanischer Architektur der katalanischen Pyrenäen (Ende 12. Jh.).
Die pure Besichtigung eines solchen Denkmals ist das eine. Die Gedanken drum herum das andere. Allein sein an solchen abgelegenen Orten bald tausendjähriger Geschichte ist immer ein kleines Erlebnis für sich.

Wer alles stieg wohl und wie mühsam und warum diese granitenen Stufen empor? Man fühlt sich a bisserl als Teil dieser Geschichte.

Die Kirche wird zwei Mal zerstört: 1428 durch ein Erdbeben, 1939 brennt sie während des Rückzugs der Republikaner im Spanischen Bürgerkrieg aus. Dann dient sie als Stall und wird, wieder aufgebaut, Nationaldenkmal. Ein würdiger Schritt.
Allein in ungestörter schlichter Romanik ohne Schnörkel
Im Kirchengarten dann diese transparente, recht neuzeitliche Innovation: Das Windrad signalisiert katalanischen Erfindergeist. Vermutlich ist es als Vogelscheuche von Nutzen und schützt die dort wuchernden wohlriechenden Gewürze.
Das katalanische Ripoll erinnert uns an vorausgehende Stunden im geografisch eigentlich kongruenten französischen Kunststädtchen Céret. Dieses leicht und beschwingt, trotz der ebenfalls nahen mächtigen Pyrenäen. Jetzt die kleine Stadt in den katalanischen Vorpyrenäen eher schwer und schwerfällig.

Kunst und gutes Marketing beflügeln offenbar. Vermutlich beeindruckt Céret auch mit der Ausstrahlung seines Hausbergs, dem symbolträchtigen Olymp der Katalanen, dem Canigou. Dort weht die katalanische Flagge souverän und eindrucksvoll, aber erträglich mit Abstand anstatt problemgeladen an jeder Ecke mancher katalanischer Pueblos.
Via Vic und vorbei an Barcelona kommen wir spät abends in Tarragona an. Auch katalanisch, aber anders. Das Mittelmeer am Horizont erscheint unheimlich, aber vertraut.
Schattenspiele in echt …
… und als Graffiti – selbst der Fotograf macht mit
Menschenleere aber heimelige Gassen und Plätze
erfreulicherweise ohne politische Bekundungen
Dörflich persönlich anmutendes Leben in den wenigen Lokalen. Wir kommen uns beinahe als Eindringlinge vor.
En esta carnicería, la combinación de jamón serrano, estilo y diseño impresiona
Die Tauben haben ihren vermutlich angestammten Schlafplatz auf Haupt und Schulter ihrer Skulptur gefunden.

Die Kathedrale St. Marien (katal. Catedral Basílica Metropolitana i Primada de Tarragona) steht beeindruckend auf einem Hügel – eingezwängt und doch mächtig inmitten der Stadt, an der Stelle eines römischen Tempels. Nach romanischem Beginn im frühgotischen Stil errichtet bleibt sie wegen der Pest unvollendet.
Schwalben holen als Skulpteure Unvollendetes romanisch schlicht nach
Als wir vor Jahren am Hafen das renommierte Fischrestaurant L´Ancora genießen sah hier alles anders aus. Nach schwierigen Bauarbeiten, direkt am Meer, hat das Viertel Serrallo jetzt ein beeindruckend markantes Gesicht – wie wenn es immer schon so gewesen wäre. Städtebaulich vorbildlich, freut sich HDM.

Zu den Besonderheiten Tarragonas gehört, dass die Stadt weder ein offizielles Wappen noch eine offizielle Fahne besitzt. Also keine direkte visuelle Unterstützung der dennoch starken Stadtmarke. Das überzeugende Produktmix https://www.hdm-marketing.de/marketing-uebersicht/der-marketing-mix-und-seine-instrumente/ macht´s, sind wir überzeugt!
An alten Wänden sind stadtbezogene Graffiti entstanden
Wunderschön ausgearbeitet in Schwarz und Weiß
Vergangenheit und Traditionen werden einfühlsam genutzt und gewürdigt
Fischertraditionen
Weiter gehts. Auf unseren Fahrten kommen wir am Ebro (kat. Ebre) auch diesmal nicht ohne einen gehörigen Halt vorbei. So zu reisen macht Spaß und soll bilden, weiß man spätestens seit JWvG. Bei wiederholten Besuchen dies sogar in Potenz, meinen wir. Das Land so noch besser verstehen, um ihm einigermaßen gerecht zu werden.

HDMs Faszination für den Rio Ebro entsteht früh. Aus dem Erdkunde-Unterricht in der Balinger Volksschule bleiben fünf große Flüsse haften: Guadiana, Guadalquivir, Tajo, Duero und eben der Rio Ebro. Mit seinen knapp tausend Kilometern ist er nach dem Tajo der zweitlängste Fluss Spaniens. Damals scheinbar unerreichbar weit entfernt, heute ein höchst erlebenswertes Ziel.

Der Fluss windet sich durch recht niederschlagsarme Landstriche südlich der Sierra Cantabrica und der Pyrenäen. Von der feuchten Atlantikluft abgeschnitten ist Landwirtschaft hier ausschließlich mit seinem Wasser möglich. Das sorgt bis heute regelmäßig für Streit zwischen den anliegenden Comunidades.

Diesmal erfahren wir, dass und wie das uns vertraute faszinierende Biosphärenreservat, die Halbwüste Bardenas Reales, durch extreme Erosionen aus dem Urstromtal des Ebro entstanden ist.

Dann noch Geschichtserinnerungen zur Schlacht am Ebro gegen Ende des Spanischen Bürgerkriegs:

Bald nach dem Vordringen der Putschisten um Franco zum Mittelmeer und zu unserer südlich liegenden Landeshauptstadt Valencia in 1938 wird Katalonien vom noch republikanischen Südosten Spaniens abgeschnitten. Ein entscheidender Erfolg der Nationalisten, nicht zuletzt durch die brutale Unterstützung der deutschem Legion Condor.

Die Diktatur hält dann bis zu seinem Tod in 1975. Bis heute ist diese Zeit noch nicht ausreichend aufgearbeitet. Auch der brisante Katalonienkonflikt hat hier mit seine Ursprünge.
Zurück zur Natur: Das Ebro-Delta ist das Schwemmland um die Mündung ins Mittelmeer. Neu ist uns dieser Zusammenhang: Nach der Entdeckung Amerikas boomt der Schiffbau. Durch den hohen Holzbedarf werden große Waldflächen gerodet. Die höhere Erosion führt zu mehr Ablagerungen von Sedimenten im Mündungsgebiet und zu einem beschleunigten Wachstum der Delta-Ebene.
Eine gegensätzliche Bewegung gibts dann im 20. Jahrhundert: Durch den Bau zahlreicher Talsperren verringert sich die Ablagerung von Sedimenten. Auch aufgrund des ansteigenden Meeresspiegels ist die praktisch deichlose Delta-Landschaft heute, lt. Expertenmeinung, bedroht. Offenbar machen auch die illegalen Einwanderer Blaukrabbe und Louisianakrebs Sorgen.
Der Reichtum an Zandern, Barschen, Aalen und Welsen bietet Fischern bis heute die Lebensgrundlage. Auch die Zucht von Muscheln an künstlich angelegten Muschelbänken. Jedoch, auf drei Vierteln der Fläche wird Reis angebaut. Vor der Reisernte, im Sommer, bedecken leuchtend grüne Reispflanzen das Delta. Diverse Arten Rundkornreis werden unter einer geschützten Herkunftsbezeichnung vermarktet. Natürlich sind sie für die traditionellen spanischen Reisgerichte besonders geeignet.
Der Reis für diese Begrüßungs-Paella (drei Tage später) unseres nachbarlichen Freundes Pascual und seiner Marie kommt allerdings aus unmittelbarer Nähe, dem Marjal Pego-Oliva
Vorarbeit für die nächste Reisernte am Ebro
1983 wird etwa ein Drittel des Deltas Parc Natural del Delta de l’Ebre
Es ist ein artenreiches Brut- und Rastgebiet zahlreicher Vogelarten und dient Zugvögeln aus dem Norden zum Überwintern
Mittendrin im Delta, in der Bar von Deltebre
HDM ziehts zur Mündung in ihrer ganzen ruhenden Pracht!

Die Fließgeschwindigkeit des Ebro verringert sich nahe am Mittelmeer praktisch auf null. Die letzten besonders feinkörnig erodierten Sedimente aus den Hochlagen der Pyrenäen, des nördlichen Kantabrischen und des südlichen Iberischen Gebirges können sich jetzt noch in Ruhe ablagern.
HDMs Schwärmereien für den Ebro und sein Delta verlangen hier ein paar ausgleichende Notizen und Fotos zu unserem nahen Sumpfgebiet Marjal Pego-Oliva, dem Herkunftsort des Reises unserer Begrüßungs-Paella (siehe oben).

Im Hintergrund links ist Dėnias Montgó erkennbar, in der Mitte die bizarre Sierra Segaria.

Seit 1994 ist das Marjal (span. Sumpf) Naturpark und gilt als eine der artenreichsten Regionen des Mittelmeerraums. Früher eine Salzwasser-Lagune wird es von den Sierras Mostalla, Migdia und Segaria umgeben. Gespeist wird’s von kleinen Flüssen wie dem Rio Bullent. Ein Netz aus Bewässerungsgräben und Kanälen profitiert von Quellen aus unterirdischen Gewässern.

Nach regionalpolitischen Versuchen eines Bürgermeisters, Teile des Gebiets zugunsten von Bauland trocken zu legen, bemüht man sich heute um die Harmonie von traditionellem Anbau hoher Reisqualitäten, z. B. der Sorten Bomba und Bombón, mit der Umwelt. Der Frevel des Alcalde wurde mit dem ersten Umwelturteil Spaniens gerichtlich geahndet. Erzählt wir auch noch die Geschichte als 1985 Walt Disney das Gebiet ernsthaft für seinen europäischen Vergnügungspark erwog.
Natürlich ist hier alles etwas kleiner als im Ebro-Delta, auch die Arbeit zur Pflege des Feuchtgebiets mit seinen riesigen Schilfflächen
‎⁨Noch eins, der Montgó hinter Dénia vom Parc Natural de la Marjal de Pego-Oliva⁩ aus
Scheue Sichler verlangen dem Fotografen Geduld ab
Leichtere Fotografenbeute, direkt am letzten Stück der uns zum Reiseende bringenden Mittelmeer-Autobahn
In Peníscola wollen wir einen letzten Café genießen und wieder mal ein Bild der Festung mit seiner großartigen Aussicht aufs Land und aufs nahe Meer schießen. Der Mangel an geeigneten Parkplätzen erlaubt nur ein Foto während des Fahrens
Häufig machen wir unsere Café-Pausen in kleinen netten Pueblos wie diesem, ein paar Kilometer abseits der großen Straßen. Heute fahren wir weiter, denn gleich sind wir da!
Vertraute Blicke bei unserer Ankunft
Der Wellengang beeindruckt wie immer, wenn auch etwas kühl anmutend
Wow!
In Hafennähe treffen wir gute alte Bekannte auf einer ihrer Lieblingsinseln
Wenn´s auch schon dunkelt, das für manche Leute so wichtige Wetter erscheint versprechend
Anderntags überrascht uns ein Regenbogen

(Denke einen Moment es sei eine Demo für die Igualdad de Género unseres für Bekundungen so rührigen Ayuntamiento … ist aber eher eine Déformation professionelle HDMs …)
Keine Fata Morgana: Wir haben diesmal recht authentische Gelüste nach dem so landestypischen Arroz Meloso de Bogavante unseres Restaurante Rafel de Pego aus dem Reis des nahen Marjal de Pego
Entsprechend ist dann auch die Begrüßung

Kleine Anmerkung: Der besonders aufmerksame Leser erinnert vielleicht den chinesischen Reis und die Wantan-Suppe im Restaurante Pekin – als wir letzten April in Dénia ankommen.

Aber auch die Reiserouten unterscheiden sich schließlich …

Hasta la próxima