Können Köpfe Nutzen ersetzen?
Vor 15 Jahren schreibt HDM für die Münchner Abendzeitung zum Thema Wahlwerbung folgendes: „… Die bis zum Verdruss immer noch übliche Plakatköpfemanie ist keinen Deut besser. Wahlwerbung muss den Menschen Nutzen verkaufen, nicht Konterfeis. Sie helfen weder bei Schönheitswettbewerbskandidatinnen noch bei Kanzlern. Dies sei den Werbestrategen der Parteien ins Stammbuch geschrieben!“
Anlässlich der jetzigen Wahlen ein paar marketingfachliche Überlegungen dazu.
Da hat sich nichts bewegt
Mehr denn je gilt: Ein Politiker muss wie ein begehrtes Produkt sein. Das erfüllt Bedürfnisse von Menschen durch seine Nutzen und wächst so zur Marke für was Wünschenswertes und Nützliches heran. Sind die Bürger vom Politiker überzeugt, wird er oder sie gewählt und kann seine eigene Kundschaft und die der Partei kontinuierlich erweitern. Ein Politiker wird für seine Nützlichkeit gewählt.
Die Dachmarke Partei
Unter dem Partei-Schirm finden sich Politiker mit Genossen und ähnlich Denkenden als Marke zusammen – zum Wohle ihrer selbst, der Partei und – hoffentlich – ihrer Wähler. Parteipolitik funktioniert genau so wie Marketing und Markenpolitik für Unternehmen, Produkte, Dienstleistungen und Ideen. Auch wenn das manche Politprotagonisten nicht wahrhaben wollen.
Achtung Flop-Gefahr
Taugen Produkte und Marken nichts und sind nutzlos, passiert das Gegenteil eines guten Markenimages mit steigendem Absatzzahlen. Marke und Produktsortiment leiden, die Verkäufe nehmen ab, z. B. in Form von Wählerstimmen. Der Wahrheit verpflichtete Journalisten zeigen Nutzenmankos auf. Das Netz spottet und stänkert. Das Parteivolk mault. Das wird zum Teufelskreis.
Eine stolze Partei in Nöten
Ähnliches passiert soeben in Bayern mit der langjährigen Dach- und Erfolgsmarke CSU und ihren Gestaltern vom einfachen Abgeordneten bis hin zum Ministerpräsidenten und dessen Vorgänger – treffender umgekehrt. Der Fall ist dramatisch.
Zu lange wird durch scheinheiliges Mirsanmir-Blabla eigenherrliche Selbstdarstellung betrieben. Nicht nur aschermittwochs. Im Wahlspot vor drei Tagen sieht und hört man immer noch dieselbe fürs Auge schöne Masche. Um einzelne Prozentpunkte hin und her braucht man angesichts dieser Malaise nicht mehr feilschen.
Nutzen statt inszenierter Köpfe
Nutzen üblicher Produkte sind guter Marketinglehre zufolge rational oder emotional. So auch in der Politik, z. B. dass endlich tatsächlich alle zuhause oder am Arbeitsplatz – auch in Bayern! – funktionierendes Internet verfügbar haben.
Oder, ein emotionaler Nutzen: Vertrauen in das haben können was ein verantwortlicher und gestandener Politiker für dem Wähler wichtige Angelegenheiten tatsächlich bewirken wird.
Fürwahr eine versprechende auf Vertrauen basierende Nutzenalternative wenn politisches Geschehen für den Wähler zuweilen schwer nachvollziehbar ist. Und eine gute Chance gewählt zu werden wenn es dem Politiker gelingt, durch seine tägliche Arbeit ehrlich zu überzeugen.
Anstelle des heute üblichen Übermaßes politnarzisstischer Selbstdarstellung vor allem höherer Chargen in unnötigen z. T. selbst provozierten Pressekonferenzen, in Bierzelten oder Königskutschen – in Bayern häufig genug als Tradition verbrämt.
Vertrauen haben können lebt von glaubhafter Kommunikation
In der werblichen Umsetzung von Nutzenversprechen gilt die Glaubhaftigkeit (Believability) als wichtiges Kriterium für den erwünschten Erfolg. Ein „Over-Promise“ kann sogar das Gegenteil bewirken und den Erfolg einer Wahlkampagne ernsthaft in Frage stellen.
Die Zeiten sind vorbei als man glaubte durch heftiges regelmäßiges Getrommel die Leute bei der Stange halten zu können. Weitere Kriterien erfolgreicher Kommunikation siehe https://www.hdm-marketing.de/marketing-uebersicht/merkmale-wirksamer-werblicher-umsetzung/
Dazu, geneigter Leser, ein Fallbeispiel: Glauben Sie im Lichte der Ereignisse recht quereliger letzter Monate angesichts folgender Bilder aus Wahlwerbung und Pressekonferenzen, bis zum heutigen Tag soeben im Fernsehen, an „Ein starkes Team“?
Zu allgemeine Nutzenversprechen nutzen so wenig wie narzisstische Konterfeis
„Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben.“ von vor einem Jahr beinhaltet sicherlich ein Nutzenversprechen. Jedoch, es kommt über einen Grundnutzen nicht hinaus und wird (ob zu Recht oder zu Unrecht) als Selbstverständlichkeit begriffen. (Von einem uns mittlerweile hinreichend vertrauten Gesicht abgesehen.)
Vergleichbar mit einem Auto das einigermaßen zufriedenstellend von A nach B fährt, sogar von B nach C. Das Angebot differenziert sich nicht und geht am Punkt vorbei. Von einer soliden Wettbewerbspartei erwarten wir eigentlich mindestens dasselbe. Derartige allgemeine Grundnutzen allein genügen angesichts schon im Vorjahr aktuell anstehender großer Herausforderungen längst nicht mehr.
Die CSU fährt jetzt genau dieselbe Kampagne für unsere bayerische Heimat, in TV und schöner natürlich in weiß und blau.
Auch das vertraute Gleiche-Chancen-Blabla ist (wie man weiß) chancenlos. Bei den Grünen schafft immerhin der Anspruch, die vermutete Quadratur des Kreises zwischen Umwelt und Wirtschaft zu lösen, ein „competitive edge“ im Vergleich zu vagen Politwettbewerbern.
Die große Chance des ungelösten Integrationsversprechens
Es besteht unter Politikwissenschaftlern kein Zweifel, dass die AfD eine großmaulige Sammelstelle ungelöster aktueller „nationaler“ Herausforderungen und der Unzufriedenheit mit dem um sich greifenden Politikergehabe, inklusive populistischer Verhaltensweisen ist. Das konkrete und nachvollziehbare, wenn auch im Lichte anderer anstehender Herausforderungen „enge“ Nutzenversprechen, nämlich die Integrationsprobleme zackig zu lösen, erscheint versprechend und lockt.
Sobald sich bewährte politische Kräfte – hoffentlich früh genug – wieder auf die tatkräftige Durch- und Umsetzung wichtiger Aufgaben konzentrieren, würde sich eine solche Sammelstelle als eine nachhaltig versprechende „Volkspartei“ mit der Suche und Entwicklung eines eigenständigen USP sehr schwer tun (Unique Selling Proposition, Alleinstellungsmerkmal) .
Sich gegenüber seinen Zielpersonen, d. h. Wählerpotenzialen, sowie Wettbewerbern nicht nur vorübergehend strategisch überzeugend zu positionieren ist aber das Herzstück des Marketing. (Unabhängig davon werden extreme fundamentalistische Strömungen rechts wie links weiter bestehen.)
Nicht leicht tun sich Parteien ohne aktuell virulante Nutzenversprechen
Zum friedlichen Abschluss eine lustige Kampagne mit netten Köpfen:
Sex Prozent für den Artenschutz
Habe mir für die nächste Zeit einen kleinen Nachtrag zum mit den Wahlen in engem Zusammenhang stehenden Weltraum-Start-up BAVARIA ONE vorgenommen. Aber zuerst ruft die keinen Aufschub duldende Landwirtschaft. Die Natur, im Stich gelassen, verzeiht nicht.