¿Está realmente muerto el Caudillo?

Der letzte Blog endet mit einem netten spanischen Polizei-Erlebnis. Daran anknüpfend hier ein weiteres. Die Gelegenheit ist günstig, es endlich mal halböffentlich los zu werden:

HDM inmitten einer zünftigen, allerdings russischen Fahnder-Einheit im mittlerweile leider etwas ferneren Sankt Petersburg. Ein Bezug zum Thema Caudillo und seinem gestrengen Regime ist auch nicht ganz von der Hand zu weisen.

Die Petersburger Jungs haben mich damals gleich früh morgens „kollegial“ in ihre zünftige Dienststelle eingeladen und sich für tatkräftige Mitarbeit bedankt. Man würde mich am liebsten hier behalten, meinten sie charmant.

Hatte in der vorausgehenden Nacht am Nevsky-Prospekt (Невский проспект) die Anführer*in einer fünfköpfigen Bande (ohne das eigentlich nur passiv beteiligte Baby gerechnet) recht spektakulär und relativ gewaltlos überwältigt, sie stundenlang in Gewahrsam gehalten und schließlich ausgeliefert. Die Damen hatten mich zuvor in vorbildlicher Teamwork – vorübergehend lohnend – beraubt.

Werde diese aufregende Nacht zwischen Zarenpalästen, Hinterhofverstecken, Bus-Jagden, Metro-Verließen, Pritschen-Ladas, einem einheimischen Helfer, Dolmetschern und einem finalen Schnellgericht nie vergessen
(Эту ночь мы никогда не забудем – Übersetzung frei nach Google).

Das dramatische Ereignis dauerte mit allem Drum & Dran von abends zehn bis morgens fünf. Dann bringt uns ein jetzt vornehmer Lada ohne Pritsche mit Blaulicht, auf HDMs Bitte ohne Sirene, zum Hotel.

Das Ganze wäre eigentlich, mit allen nicht undramatischen Details, eine eigene Geschichte wert. Schaun mer mal.
Aber jetzt, um den Charakter eines Reiseberichts zum Thema Caudillo nicht zu verlassen, weitere Stationen auf dem Weg zum heutigen Reiseziel.

Die Dame oben im Bild hat sich offensichtlich in das vorromanische Weltkulturerbe Santa María del Naranco verliebt. Sie will partout nicht weichen. Der Fotograf erklärt sie notgedrungen zum nicht ganz unwillkommenen Farbtupfer (und ist zufrieden).

Dieser ehemalige Teil einer Palastanlage, später als Kirche genutzt, entsteht in der Mitte des 9. Jahrhunderts und liegt recht unverhofft vor den Toren von Asturiens Hauptstadt Oviedo einfach so in der Landschaft …
… wie auch dieses unweit etwas später auftauchende romanische Kleinod

D´Frau1 schlug eine alternative Bergroute über den Puerto de Pajares vor. Das lohnt sich schon jetzt. Wir stehen vor der Colegiata Santa Maria de Arbás am Camino asturiano.
Ein Juwel sagen spanische Quellen zu Recht
Zahlreiche geschichtliche Ereignisse erklären die faszinierende Vielfalt von Baustilen dieser Kirche. Eine wahre Fundgrube für tausend Jahre aufregender spanischer Geschichte. Aufregend ist’s auch sich ohne umfassende Kenntnisse vor Ort anschaulich hineindenken zu können.

Beispiel Camino asturiano: An diesem bedeutenden mittelalterlichen Pilgerweg ist die Iglesia über Jahrhunderte ein höchst nützliches, da einfaches und robustes Pilgerhospital. Die Pilger kommen aus dem südlicher gelegenen León um in der Kathedrale des nördlich gelegenen Oviedo einen der wichtigsten Reliquien-Schreine der Christenheit zu besuchen, die Cámara Santa. Heute zieht der Schrein Touristen mit UNESCO-Welterbe-Anspruch an.
Wir können am Vortag in Oviedos San Salvador Kathedrale aus der Ferne per Teleobjektiv lediglich den beeindruckenden Altar bewundern. Aufgrund des Gottesdienstes sind die mittelalterlichen Pilger-Träume „las reliquias de la Cámara Santa“ nicht zugänglich.
HDM kann´s verkraften. D´Frau hätt´s halt zu gern gesehen
Handfester als Reliquien sind die morbid-schönen immer noch intakten Überbleibsel des früher in der Region florierenden Bergbaus. Hier der Bahnhof von Villamanín an der Eisenbahnlinie León a Gijón von der beinahe parallelen Nationalstraße 630 aus gesehen. Beide waren wichtige Verkehrswege zwischen den beiden Comunidades (Ländern) „Principado de Asturias“ (Fürstentum Asturien) und „Castilla-León“ sowie dem spanischen Landesinnern.

Ganz in der Nähe von Villamanín liegt die Mine La Profunda. In um die 1500 Meter Höhe werden im Jahr 1870 Kupfer- und Kobalterze wiederentdeckt und zwanzig Jahre lang bis zu einer Tiefe von 180 Meter abgebaut. Dann erzwingen zu geringe Erzmengen und Entwässerungsprobleme die Einstellung des Abbaus.

Zwischen 1923 und 1927 läßt jedoch Spaniens erster Diktator, General Primo de Rivera, vor Ort die Metalúrgica del Cobre y del Cobalto entstehen. Kupfer-, Kobalt- und Nickelerze werden abgebaut, aufbereitet, konzentriert und zur Weiterverarbeitung nach Asturien transportiert. Aber schon nach zwei drei Jahren ist wieder Schluss. Diesmal sind´s die 1929er Weltwirtschaftskrise und der sinkende Weltmarktpreis.

Sechs Jahre später erlangt die Region militärstrategische Bedeutung. Nach wiederholten Fehlschlägen bei der Belagerung Madrids konzentriert Rebell Francisco Franco seine Hauptanstrengungen auf den spanischen Norden. Vor allem Eisenerz- und Kohlevorkommen locken. Noch kann sich das republikanische Asturien (außer der Hauptstadt Oviedo) gegen die Franco-Nationalisten behaupten. Republikaner unter Hauptmann Luis Vaquero verschanzen sich in der Mine La Profunda. Sie kann zur Verteidigung gegen Angriffe der Nationalisten auf Asturien über den Pajares-Pass dienen.

Da kommt Franco die Legion Condor gerade recht. Hitlers Generäle wollen konzentrierte Bomben-Angriffe in schwierigem Gebirgsgelände in enger Formation und geringer Höhe erproben. Richthofens Bombardement ist dann so erfolgreich, dass es in großem Stil brutal gegen die baskische Stadt Guernica wiederholt wird. (Picassos 1937 entstandenes Gemälde befindet sich im Madrider Museo Reina Sofía)

Heute eignet sich das bergige Gelände durch seine strengen Winter, um die erfolgreiche Estación de esquí de Valgrande-Pajares herum, zum üblicherweise friedlichen Skifahren.
Das Wappen der ehemaligen Bergbaumetropole Villamanín visualisiert eine anschauliche Legende: Ein Bär tötet einen der Ochsen eines Wagens, der von einem Abt gelenkt wird. Er transportiert Steine ​​für den Bau eines Hospitals und ersetzt kurzerhand den Ochsen durch den Bären.
Mutig, zupackend, arbeitsam und helfend wie die Menschen der kargen Region.
Ein aussagefähiges Herz-Graffiti (span. Grafiti) am Ortseingang und zwei Vecinos auf dem Weg in ihre Bar. Noch immer schlägt das Herz der gebeutelten Region.
Sozialer Treffpunkt für einen kleinen Imbiss zwischendurch
Esse dort meine zünftigste und vermutlich beste Tortilla el pincho. Die eigentliche Tortilla (perdon, schon angebissen ganz unten) wird durch einfaches Weißbrot angereichert.

HDM vermutet den Ursprung dieser Pincho-Version (meint mit Zahnstocher fixiert) als kleine ausreichend sättigende Mahlzeit für arme Leute (por los pobres).
Die in ganz Spanien weitverbreitete Chorizo dazu (Schwein, Paprika, Knoblauch) ist eigentlich schon Luxus (por los ricos).
Ohne menschliche Bergbau-Eingriffe eigenständig gewachsenes Berg-Gebilde (wohl nicht als Skiabfahrt geeignet)
Weiter geht´s über die schier endlosen Felder der nördlichen spanischen Meseta (Hochebene). Auf einer Erhöhung ein beeindruckender steinerner Horizont.
Der Ort dahinter liegt im Mittelalter im umstrittenen Grenzgebiet zwischen den Königreichen Kastilien und León. Die Stadtmauer aus dieser Zeit ist nahezu vollständig erhalten. Der Ort wird 1975 nationales Bien de Interés Cultural in der Kategorie Conjunto histórico-artístico.
Seit 2013 ist Urueña als eines der schönsten Dörfer Spaniens eingestuft und erhält das internationale Prädikat Villa del Libro. Die Einwohnerzahl liege unter 200 und die Zahl der Museen, Bibliotheken, Buchhandlungen etc. sei deutlich überproportional. Man teilt den Titel mit anderen europäischen Orten in Frankreich, Belgien und den Niederlanden, so ist zu lesen.

Wir kriegen, allerdings außerhalb der Saison, von alldem nichts mit. Wird hier mit Tourismus-Marketing Schindluder getrieben fragt sich der Ex-Marketing-Mensch.
Hier hätte man vielleicht was erfahren können. Die Tür aber ist verriegelt – wahrscheinlich wegen der Essenszeit
¡Volvamos a la carretera!
So recht wurden wir im – mit einer einzigen Ausnahme – menschenleeren Bücherdorf nicht fündig. Doch die haptisch greifbare, ehrliche und grandiose Stadtmauer ohne touristischen Pipifax lohnte die Auffahrt.
Kleine Erlebnisse wie dieses erfreuen der Reisenden Herz und haben Erkenntniswert:
Ein wie immer höchst lauter aber disziplinierter Schulausflug spanischer Kinder
In Pueblos Graffitis auf regionale Inhalte hin entschlüsseln ist immer spannend
Jetzt fiebern wir dem Duero entgegen. Er ist einer der vier oder fünf bedeutenden Flüsse Spaniens die mich seit der Balinger Volksschulzeit faszinieren
In Tordesillas ist am Sonntag Stiertreiben. Da wollen wir nicht dabei sein.
Immer wieder erstaunlich wie hoch wir uns während langer Strecken und durch unterschiedliche Landschaften der Meseta bewegen – nämlich um die 1500 Meter hoch
Entsprechend einfach aber eigenständig sind die Pueblos
Suchen jetzt, beinahe etwas verzweifelt, den Weg zu unserer unterwegs gebuchten klösterlichen Hospederia für heute Nacht.

Gefühlsmäßig müssen wir eigentlich in der Nähe sein. Auch das Navi insistiert drauf. Die Polizei will uns aber nicht durch dieses bestens gesicherte Portal lassen.

Ein persönliches „Bloquons tout“ auf spanische Art? Noch weiß HDM zu wenig vom historischen Bezug dieser Hospederia im Valle de Cuelgamuros. Zumal das Tal früher anders hieß.
D´Frau hat`s zwar schon recherchiert, schweigt aber ausnahmsweise.
Beinahe wundersame Hilfe naht. Aber verlassen sind wir trotzdem ein bisschen als wir durch dieses lange Entrée endlich unsere Hospederia aufspüren.

Das kleine Wunder: Der Freund eines Benediktiner-Mönches des zur Anlage gehörenden Klosters (Monasterio) braucht vor Einbruch der Nacht eine Mitfahrgelegenheit durch die langen Kilometer düsteren Pinienwalds. Die Polizei zeigt Erbarmen und lässt uns, mit ihm als Begleiter, durch. Unterwegs schürt der junge Mann unsere Neugier mit Geschichtsunterricht aus erster Hand.
Ganz allein scheinen wir nicht zu sein. In anderen Teilen der weiten Monster-Anlage tut sich was
Sogar Stärkung winkt nach einem langen Tag
Den Empfang im bescheidenen Klosterzimmer empfindet zumindest HDM als höchst gelungen. Auf dem klösterlich einfachen und sauberen Bett ein graziler nicht unansehnlicher Einwohner. Bestimme ihn*sie als Amerikanische Kiefernwanze (Leptoglossus occidentalis).

Ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet ist, so steht’s geschrieben, der Westen Nordamerikas westlich der Rocky Mountains. In den 1950er Jahren taucht das Tierchen auch an der Ostküste auf, 1999 erstmals in Europa, 2006 – im Jahr des Baustarts des neuen Flughafens – im weltoffenen Berlin.

Mit der Bestimmung der dreist wie erfolgreich invasiven aber harmlosen Spezies beenden wir den offiziellen Teil eines anstrengenden Tages.

Besser invasiv und harmlos als indigen und gefährlich – so resümiere ich tierliebend und bin gespannt auf morgen
Am nächsten Morgen sind wir früh wie gespannt unterwegs

Wir befinden uns in der höchst umstrittenen Gedenkstätte Valle de Cuelgamuros, knapp 50 Kilometer nordwestlich vor Madrid.

Seit Beginn des Bürgerkriegs 1939 lässt Caudillo General Francisco Franco hier die in den Fels gebaute Basilika errichten, mit einem direkt darüber um die 150 Meter hoch in den Himmel ragenden Kreuz. Denk- und Mahnmal für seinen Sieg im Bürgerkrieg und 20jährige Zwangsarbeit bis zur Fertigstellung.

Das Ensemble soll ein Ort der Versöhnung werden, mit den Opfern beider Seiten. Es heißt damals Valle de los Caídos (Tal der Gefallenen). Bis 2019 liegt auch der Diktator in der Basilika begraben. Seine Gebeine werden 2019, im Zusammenhang mit der mittlerweile begonnen gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzung mit der Diktatur, in die Familiengruft verlagert.

In den Nischengräbern des Tunnelgewölbes aber liegen immer noch die Überreste von mehr als 33.000 Toten. Sie wurden oft ohne oder gegen den Willen der Angehörigen dort bestattet. Familien haben in den vergangenen Jahren die Exhumierung Angehöriger beantragt.

Lo recordamos: 1936 putschen die Nationalisten mit Franco gegen die linke Regierung der Segunda República Española. Die regierenden Republikaner sind ein recht komplexer Mischmasch aus Sozialisten, Linken, Kommunisten, Anarchisten und deren jeweiligen Strömungen, z. B. den Anhängern regionaler Unabhängigkeit.
Im folgenden grausamen Bürgerkrieg (1936-1939) siegen Francos nationalistische Truppen, auch mit Unterstützung Nazi-Deutschlands. Die Diktatur endet mit seinem Tod 1975. Besiegt wird er nie.

Der Francoismus meint die absolute Machtkonzentration in den Händen des Diktators. Eine konkrete Ziel-Ideologie (im Sinne einer strategischen Marketing-Positionierung) fehlt. Mehrere ideologische Strömungen spielen zusammen: Der zunehmend patriotisch gelebte Katholizismus (National-Katholizismus), der tiefsitzende Antikommunismus und das höchst konservative spanische Traditions-Bewusstsein. Es wendet sich gegen liberale Ideen, Arbeiterbestrebungen und Unabhängigkeits-Nationalismen. Die besitzende Klasse und die Industrie wollen u. a. die durch die Reformen der Zweiten Republik bedrohte soziale und wirtschaftliche Vorherrschaft wiedererlangen.

Eine Erklärung zum langen Überleben des Regimes liegt sicherlich in der schweigenden Mehrheit der Bevölkerung. Sie findet sich aus Angst oder als Lebensnotwendigkeit mit dem System ab.
In aller Früh´ wirft die Morgensonne noch lange Schatten
Im Vergleich zum Vollendungsjahr 1959 der Anlage sind wir mutterseelenallein
(Quelle: Archivo de Publicidad)
Der weite Blick in die entgegengesetzte Richtung
Dann öffnet sich geheimnisvoll eine Eingangs- und eine Ausgangstür zum unterirdischen Denkmal
Drinnen zuerst Polizeitechnik, beinahe gespenstisch
Dann der monströse Eingang
Die Beleuchtung ohne jegliches Tageslicht ist wie von einer anderen Welt
Die architektonische Gestaltung kann sich in Stil, Kreativität und handwerklicher Qualität mit den Baustilen vorausgehender Jahrhunderte durchaus messen
Unter der 42 Meter hohen Kuppel befand sich das Grab des Diktators
Gestaltungsextreme
Ehrfürchtig zwischen bloßer Bewunderung und dem Versuch des Verstehens
Arbeitende Benediktiner-Padres (ora et labora) vor aufwändigem Chorgestühl
FRANCISCO FRANCO CAUDILLO DE ESPAÑA
PATRONO Y FUNDADOR INAUGURO ESTE MONUMENTO EL DIA 19 DE ABRIL DE 1959

S. S. JUAN XXIII
ERIGIO SU EGLESIA EN BASILICA POR BREVE DE 7 DE ABRIL DE 1960 Y FUE CONSACRADO EL DIA 4 DE JUNIO DEL MISMO AÑO POR EL CARDENAL GATTANO CICOGNINI


Die leicht übersehbare Gedenktafel ist eine der wenigen verbliebenen in Stein gemeißelten Erinnerungen an den spanischen Nationalkatholizismus. Weniger nachhaltige Referenzen zur Diktatur, z. B. im Webauftritt von Basilika und Kloster, sind inzwischen getilgt.

HDM wundert sich, dass er den weltweit sehr geschätzten polnischen Papst Johannes XXIII zuvor nie in Verbindung mit Franco gesehen hat. Als kirchlich nachhaltig erweisen sich auch die Benediktiner. Sie dürfen bleiben und weiter Messen lesen. Darauf einigt sich die regierende Linkskoalition im Frühjahr 2025 mit dem Vatikan.

Vielleicht hätte man uns ohne den Benediktiner-Freund am Polizei-Portal gar nicht reingelassen – so denk i mir a bißerl abwegig, eigennützig und gschamig
Franco wird 2019 ausgeflogen. Die umfassende Identifizierung und Umbettung aller Toten dauert an. Die ultrarechte Partei indes verteidigt den Felsendom als Symbol für Spaniens christliche Wurzeln.

Der hauptsächliche Ursache für die anhaltende Unruhe in Bevölkerung und Politik liegt in dem vom Parlament in 1977, zwei Jahre nach dem Tod des Diktators, beschlossenen Amnestiegesetz (Ley de Amnistía).

Bisher als ungesetzlich geltende Handlungen mit politischer Absicht werden nicht verfolgt. Die Amnestie umfasst auch Behörden und Vollzugspersonen die Verbrechen oder Vergehen begangen oder „Rechte von Personen“ verletzt haben. Strafrechtliche Verfolgungen sollen Spaniens Konsolidierung hin zu einer Demokratie nicht beeinträchtigen. Dieser Pakt des Vergessens (Pacto de Olvido) ist damals eine einmütige Entscheidung sowohl der linken als auch der rechten Parteien.

Heute weiß man dass dieser Versuch einer nationalen Versöhnung die notwendige ehrliche gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Diktatur zumindest stark behindert hat. Besonders seit der Jahrtausendwende, als die eher rechts stehende Partida Popular (PP) mit einer absoluten Mehrheit aus den Wahlen hervorgeht, verstärkt sich die Diskussion.

In der Provinz León entsteht damals die Asociacion para la Recuperacion de la Memoria Historica. Sie setzt sich für eine Aufklärung des Verbleibs republikanischer desaparecidos ein und veranlasst die Öffnungen von Massengräbern. Eine umfassende gesellschaftliche Erinnerungsbewegung ist geboren.

Zwei Jahre später, im November 2002, stimmt das spanische Parlament einer offiziellen Verurteilung der Franco-Diktatur einstimmig zu. Zum Jahrestag des Bürgerkriegsbeginns in 2006 wird das Jahr der historischen Erinnerung ausgerufen und ein Gesetz zur Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer von Bürgerkrieg und Diktatur auf den Weg gebracht. Franquistische Symbole, Straßennamen, Monumente und Gedenktafeln sollen aus dem öffentlichen Raum entfernt werden. Im jetzigen Valle de Cuelgamuros sind politische Veranstaltungen von Altfranquisten und Sympathisanten verboten.

Spanien habe es versäumt, die Diktatur-Vergangenheit angemessen zu vermitteln. Ein Preis dafür sei der Erfolg der Ultrarechten. Solche Stimmen verweisen auf recht konkrete Anhaltspunkte dafür, dass um die ein Drittel der „franco-fernen“ jüngeren Spanier rechtsextrem wählen. Anhaltende, auch ganz aktuelle, Korruptionsskandale der beiden großen Parteien PSOE und PP erleichtern eine sachliche Auseinandersetzung nicht.
Grausame späte Erkenntnis
Ganz gleich wo: In Spanien sei man nie weiter als 50 Kilometer von einem Massengrab entfernt. Manche enthalten die Überreste Tausender Menschen.
Insgesamt vermutet man weit über 100.000 Verschollene (Quelle: rtve)
Junge Menschen beteiligen sich an der Suche. Andere laufen Gefahr, die Gräueltaten der Diktatur zu vergessen. Bei ihnen droht in zeitlicher Distanz Franco zum Wohltäter zu werden.
Populistisch argumentierende Politiker und historisierende Franco-Biografen unterschiedlicher parteipolitischer Couleur verschärfen die Situation.
Diese anfangs des Jahres erschienene Biografie aus dem aragonesischen Zaragoza (Saragossa) ist sicherlich studierenswert. Die Erkenntnisse müssen jedoch hinsichtlich ihrer Nähe zur derzeitigen Linksregierung sorgfältig abgewogen werden.
In diesen Wochen und Tagen wird auch der emeritierte Juan Carlos I in die Auseinandersetzung einbezogen. Jetzt erscheinen seine Memoiren (nach Frankreich) auch in Spanien. Darin geht er recht verständnisvoll mit seinem Steigbügelhalter Franco um. Der Präsident der Recuperación de la Memoria Histórica fordert dafür eine Bestrafung (multa) …
Am 22. November 1975, nur zwei Tage nach Francos Tod, wird Juan Carlos I König von Spanien. Er unterstützt die Ausarbeitung der Verfassung von 1978, entgeht unzähligen Intrigen und gewinnt zunehmend das Vertrauen des Landes.
Sein entschlossenes Auftreten gegen den Versuch eines Militärputsches in 1981 beweist die schon hohe Stabilität der jungen Demokratie. Der kleine Bub rechts im Bild ist der jetzige König Felipe VI
(Quelle: arte Ausstrahlung am 11. November 2025)

Jetzt schreibt der königliche Emeritus: „Ich habe das Gefühl, dass mir meine Geschichte gestohlen wird“. Er bekennt Sympathie für den Diktator, „der mich zum König machte“ und sagt über Francos 36jährige Herrschaft: „Ich respektierte ihn zutiefst, ich schätzte seine Intelligenz und seinen politischen Instinkt.“ Und: „Niemand konnte ihn stürzen oder auch nur destabilisieren – das ist eine Leistung.“ Zur Demokratie: „Ich habe dem spanischen Volk die Freiheit gegeben, indem ich die Demokratie errichtet habe.“

Wer die unendliche spanische Meinungsvielfalt und Diskussionsfreude kennt ist geneigt ihn zu verstehen. Der (zunehmend umstrittene) derzeitige sozialistische Regierungspräsident (Presidente del Gobierno – partido PSOE) sieht dies erwartungsgemäß anders: „Die Demokratie ist nicht einfach vom Himmel gefallen, sie wurde vom spanischen Volk, von den einfachen Bürgern erkämpft“ ist seine populistische Erkenntnis.

Anmerkung: HDM hat in Übereinstimmung mit seinem gescheiten spanischen Friseur Paco wenig Sympathie für den derzeitigen Präsidenten der Regierung. Er ist in einen handfesten Korruptionsskandal verwickelt und bemüht palavernd ständig die Demokratie, während er sich seit Jahren, auch in eigener Sache, mit der demokratischen Säule einer unabhängigen Rechtssprechung im Konflikt befindet. Probleme
bleiben ohnehin auf der Strecke. Bei uns in Deutschland findet man ihn, soweit bekannt, überwiegend toll.
Der Padre de la Constitución Miquel Roca muss es eigentlich besser wissen als der populistische Presidente: Es waren der klare Wille „del Rey, de Suárez y de apertura de Torcuato Fernández Miranda“, ein Team das auf etwas setzte, was schon mehr als genug war: nämlich freie Wahlen“.
Quelle: Spanischer Fernsehsender Antena 3 am 17. November 2025

(Apertura heißt hier Aufgeschlossenheit Adolfo Suárez González von der Unión de Centro Democrático (UCD) war in der Übergangszeit zweimal Presidente del Gobierno; Torcuato Fernández-Miranda Hevia, ein Rechtswissenschaftler, war gleich nach Francos Tod kurz Presidente)
Besuchen jetzt zur Wahrung der historischen Balance einen Ort, der Spaniens ungleich viel längere vorausgehende Geschichte präsentiert:

Den Real Sitio de San Lorenzo de El Escorial (Königliches Kloster San Lorenzo de El Escorial) in Fahrtrichtung kurz vor Madrid. Aus Angst vor unmenschlichen Museumsbesuchen ist HDM hier bisher jedesmal vorbeigefahren.

Das Ausmaß und die vermutete Vielfalt der Anlage machen uns zuerst etwas hilflos wie die Zwei auf der Bank

Die Schloss- und Klosteranlage entsteht in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Wieder einmal treffen wir auf Philipp II, Spaniens wohl visionärsten König. Das Meisterwerk der spanischen Renaissance ist ein Symbol der damals mächtigen spanischen Monarchie. Es umfasst vor allem das eigentliche Kloster (Monasterio), ausgedehnte königliche Gemächer und den Pantheon-Teil. Im Panteón de Reyes und im Panteón de los Infantes liegen die sterblichen Überreste der spanischen Habsburger- und Bourbonen-Könige mit deren Familien.
Bescheiden kann man den Klosterhof im geometrisch strengen und nüchternen Herrera-Stil nicht gerade nennen
Die Kuppel der gigantischen Basilika ist 92 Meter hoch. Vor dem Hauptaltar probt ein – aus der höchst korrekten hochdeutschen Pronunciación zu schließen – norddeutscher Laienchor die grandiose Akustik.

Unterm Chor, im Panteón de Reyes und im Panteón de los Infantes, liegen die nicht enden wollenden sterblichen Überreste der spanischen Habsburger- und Bourbonen-Könige.
Angesichts mancher Wimpel denke ich unbekümmert pietätlos an verführerische Wiener Tortengebäcke … perdon.
Biblio
Angesicht der überwältigenden Gestaltung der Bibliothek (von Phillip II gegründet) vergisst man leicht die über 40.000 Bücher und Handschriften
Der Fotograf begeistert sich für bekennende Besucher genau so wie für wertvolle Exponate und stimmige Gestaltungen.
Die spanischen Landsleute freuen sich ihrerseits, in Alemania unvorstellbar, über des Fotografen Aufmerksamkeit.
Dann, endlich wieder in der frischen Luft, im Restaurant gleich daneben, locken Motive wie das nachhaltig kommunizierende spanische Leben und die nahe Madrider Lebensart
Die Belohnung nach drei Stunden grandiosem Museumsstress (einem persönlichen Rekord)
Natürlich sind Spanier, auch Madrilleñas, nicht immer nur froh und lustig
Auch die Nationalpolizei am Straßenrand zwischen Madrid und dem spanischen Zuhause schaut etwas kritisch drein.
Mir kommen die erfrischende Caña und die gleiche Quantität des fruchtigen Rueda von vor zwei Stunden in den Sinn. Nächstes Jahr soll 0,2 gelten so hört man.
Als wir abends in Dénia ankommen haben wir Glück – der in die Jahre gekommene Fernseher läuft nach ein paar Minuten tatsächlich an:
Wir wollen den heutigen Wiesnzug wenigstens im Fernsehen anschauen – für uns Ehemals-Münchner eine kleine Tradition.

Jedoch, das trotz strahlender Sonne schlechte br-Licht ist ein Graus. Normalerweise kritisiere ich nur die Kameraleute des spanischen rtve.
Lange währt das schattige Fernseh-Glück übrigens nicht: Nur zwei Wochen später ist ein Neuer fällig. Estamos en España denke ich ungerecht vor mich hin.

Hasta la vista

Dann vermutlich vom Starnberger See aus

  1. D´Frau sagte der aus Niederbayern stammende Münsinger Altwirt immer dann, wenn er seine Ehefrau Erika liebevoll in eigentlich nur Mannsbilder betreffende wichtige Sachverhalte einbeziehen wollte. Gerne hat HDM diese treffende wenn auch nur indirekte sprachliche Liebeserklärung für hoffentlich relevante eigene Herausforderungen übernommen. ↩︎

„Bloquons tout“

Der große Streik ist für Mittwoch angesagt. Und wir wollen am Sonntag in der Früh wieder mal quer durch Frankreich nach Dénia starten. Der geneigte Leser weiß, dass la France mehr als nur eine Vorfreude auf unser spanisches Domizil ist. Was tun?

Das Reisewetter nimmt die Entscheidung ab. Es soll weniger als durchwachsen sein. Wir verschieben auf nächste Woche. Obwohl auch da schon jetzt, wiederum am Mittwoch, Blockaden angesagt sind. 

Am folgenden Sonntag geht’s also los. Unverdrossen. Das Wetter unterwegs scheint prima zu werden und kritische Streikzentren wollen wir ohnehin meiden. Auch andere lieb gewonnene Städte wie Lyon und Bordeaux lassen wir nördlich oder südlich in sicherer Distanz liegen. Aus dem Mercredi wird dann ohnehin Jeudi und da sind wir längst am unpolitischen Atlantik. Dort schlägt nur der Ozean hohe Wellen.

„Bloquons tout“ – Am ursprünglich geplanten Mittwoch ist in den großen Zentren wirklich was los. Da wollten wir nicht dabei sein. Unterwegs beruhigen uns dann Franzosen mit „seulement à Paris“
Wir fahren lieber wieder mal den beschaulichen Canal du Centre entlang. Genießen auf dem lange parallel verlaufenden, eigentlich gesperrten, Landweg die zahlreichen malerischen Schleusenhäuschen. Samt ihrer antiquierten aber funktionierenden Technik. Drum herum die burgundischen Weinberge der Côte de Beaune und der Côte Chalonnaise. Und – die grünen Weiden des Charolais mit den in der Gastronomie des Landes so begehrten weißen Rindern.

Der Canal du Centre schlängelt sich 112 Kilometer lang zwischen Chalon-sur-Saône (an der Saône) via Paray-le-Monial (siehe das vorausgehende Erlebnis)) bis nach Digoin an der Loire. Mithilfe weiterer Kanäle ermöglicht er Binnenschiffen und Sportbooten über die Seine Zugang zum Atlantik und über die Rhône zum Mittelmeer.

Man stelle sich – in einer französischen Pénichette – eine französische Weltreise zwischen den beiden Meeren vor … ça serait quelque chose!

A propos Digoin: Auf der dortigen Kanalbrücke quert der Canal latéral à la Loire (im Vordergrund) den tiefer gelegenen Fluss Loire (Foto aus 2019)

Die alten Zeiten industriellen Tuns …
… sind längst vorbei. Ab dem späten 18. Jahrhundert (um die Französische Revolution herum!) hat unser Canal zum wirtschaftlichen Aufschwung des Bergbaureviers Montceau-les-Mines beigetragen. Heute hat er eher touristische Bedeutung.
Das bescheidene malerische Ton-in-Ton-Besitztum erfreut das aufgeschlossene Fotografenauge
Beschauliches Outdoor Office
Existenzielle Nahrungssuche
Wir stören
Auf sattgrünen Weiden die nicht nur für´s Auge köstlichen Charolais-Rinder mit Schlösschen und Hof
Die Kormorane begeben sich schon früh auf ihre Schlafbäume. Für uns sind sie gefiederte Lebenskünstler zwischen Starnberger See, Atlantik und Mittelmeer
Im Mairie von ‎⁨Montceau-les-Mines⁩ ist um die französische Mittagszeit offenbar nur der Concierge zugange …
Dann ‎⁨Paray-le-Monial⁩, ⁨diesmal von der anderen Seite. Wieder genießen wir die romanische Hochburg ohne die sommerlichen Pilgerscharen.
Diesmal sind kleinere Entdeckungen dran: dieser Baum gedeiht direkt neben der Kathedrale ohne Rinde!
Ein Wunder? Unser einheimischer Informant glaubt es nicht
An ein Wunder allerdings erinnert die Chapelle des Apparitions im neoromanischen Stil. Zwischen 1673 und 1689 erscheint hier der Salesianerin Marguerite-Marie Alacoque das Herz Jesu „authentifiées par son confesseur, le jésuite Claude La Colombière„. Na ja.

Die Zeit verklärt und verstärkt markante Weltereignisse … 1920 wird M-M vom Namensbruder unseres Papstes aus Marktl, Benedikt XV, heiliggesprochen.

„Avant d’entrer dans la chapelle des Apparitions, je marque une pause. C’est en ce lieu précis, dans le chœur actuel de la chapelle, que Jésus a découvert son Cœur brûlant d’amour à sainte Marguerite-Marie et lui a demandé son cœur en retour d’amour. Entrer dans cette chapelle, c’est symboliquement entrer dans le Cœur de Jésus pour y faire ma demeure, pour me laisser consumer par les flammes ardentes de son amour. J’entre pour consacrer mon cœur et tout mon être au Sacré-Cœur.“
Quelle: sacrecoeur-paray.org/parcours-du-jubile-3eme-etape-chapelle-des-apparitions
Die Heilige
Die liebevoll missionierende kolumbianische Nonne lässt uns auch außerhalb der Besuchszeit rein und schenkt uns zwei Medaillons.
Sie spürt, dass das Jesús-Bild zum ehemaligen Protestanten HDM besser passt als ein Heiligenbild. Werde es in Ehren halten.
Die Verbindung zu unserem nahen Hotel Le Prieuré ist unübersehbar
Das abendliche Mahl ist diesmal noch kreativer …
… als der köstliche burgundische Kalbskopf beim letzten Besuch
Am anderen Morgen besuchen wir nochmal die Basilika Minor. Das gewaltige Fresko in der Chorapsis inmitten der Vierung beeindruckt jedesmal neu.

Der legendäre Grafensohn und spätere Abt von Cluny, Hugues de Seymour, läßt die Basilika im 11. Jh. nach dem Vorbild der Abteikirche von Cluny ausbauen.
Weiter geht´s dann nach Ussel: Wir finden es hinter dem großen Mischwald
Qu´est-ce que c´est ?? Ussel ??

Es hat für HDM eine besondere persönliche Bedeutung. Zwei Gendarmen dieses Städtchens haben mir damals den Führerschein geraubt. Ich sei mit etwas über 150 zu schnell gefahren und bei Regen seien nur 110 erlaubt.

Fakt ist jedoch, dass die damals neue wunderbare und nachts vollverwaiste Autobahn trocken ist – lediglich ein paar ärmliche Regentropfen trüben die Scheibe …

So werden wir nach langem schicksalhaft vergeblichem Gendarmen-Warten hinter den Büschen willkommene Opfer. Der damalige Mercedes G kommt denen als neue Geschäftsidee gerade recht. Die Argumentation des vorlauten Wortführers ist dann so ärmlich wie jetzt die kleine Stadt (pardon).

Kurzum: Sie behalten meinen Führerschein. Das sei in Frankreich so üblich.

Bin spätestens nach dem jetzigen Besuch versöhnt. Dieses abgelegene ärmliche Village brauchte das Erfolgserlebnis und die flankierende Einnahme.

Gerächt hat sich HDM ohnehin schon zuvor: Die ganze Aktion war nach europäischen Recht höchst bedenklich. Selbst in Ussel hatte man dies bald erkannt. Man wollte den exotischen deutschen Führerschein schnell wieder los werden. Cependant incroyable: Im Einschreibebrief des Rathauses war das begehrte Objekt dann nichtmal drin! Pauvre mairie de Ussel …
Das brachte HDM auf die ihm wohltuende Idee, seinem Permis de Conduire eine Odyssé franco-allemand zu gönnen. Die folgenden Einschreiben nach Bayern und in die Communidad Valencia gehen einfach zurück.

Erst nach einer persönlichen Bitte des Bürgermeisters (le maire – premier officer municipal élu par le conseil municipal) das Dokument nach Irrwegen endlich wieder in Besitz zu nehmen, vereinbaren wir eine versöhnliche Zusendung an HDMs heimisches Landratsamt. Dort hatte man ihm unbürokratisch ohnehin längst einen Ersatz für das Raubgut ausgestellt.

Aujourd´hui une belle histoire – n’est-ce pas?
Franchement, ein gewisser verstaubter Charme ist dem Städtchen nicht abzusprechen …
… besonders wenn es um französische Lingerie geht
Laufen garantiert keine 150 mehr
Die romanische Église Saint-Martin ist so düster wie die nächtliche Gendarmerie damals. Namensgeber Saint Martin gilt als erster „évangélisateur de l’Europe“ und als Symbol christlicher Nächstenliebe.

Dies scheint meinen Gendarmen damals entgangen zu sein. Auch die Orgel hat historische Bedeutung. Auf die erbetene Spende haben wir trotz Happyend verzichtet.
Für eine Stadttaube ungewöhnliche weiße Gefiederanteile lassen auf eine Kreuzung mit einer Friedenstaube schließen – Symbol der Versöhnung …
Stunden später eine total andere nächtliche Welt
Anderntags wissen wir, sind im Surfer-Paradies gelandet
Kollegen sind schon da: … gut ausgestatteter Fotograf …
… themennahe Bloggerin mit Assistent
Motive gibt’s ohnehin genug
Vive la France …
… de chaque couleur et chacun*une à son*sa goût (ein persönlicher Versuch teutonische Sprachfortschritte auf Französisch zu übertragen. Pardon chers Français et chères Françaises, pardon honorable Académie française)
Sympathisches naturnahes tête à tête
Gute Berechnung
Schwätzle der jolies demoiselles
Leicht zerzauster Spatz (le moineau)
Atlantisch-französisches Outdoor Office
Wenige Kilometer hinter dem Atlantik: Das sympathische Mairie de Capbreton und der freie Platz davor laden zur überschaubaren Stadtbesichtigung ein
Hoffentlich sind diese mutmaßlichen flinken Gegenstücke zu den Strandläufern als Asphaltläufer nicht zu gut getarnt
Die Leuchtturm-Kirche mit menschennaher Doppelfunktion für Seeleute und fromme Seelen
Auch drin meer- und menschennah anheimelnd
Macht Lust auf die andere Kanalseite namens Hossegor
Wohl keine künstlerische Überzeichnung: Höre soeben im regionalen Wetterbericht dass die Atlantikwellen derzeit über zehn Meter hoch sind
Am Abend gönnen wir uns mal wieder Atlantisches, zugegeben aufgemotzt mit invasiven Köstlichkeiten (aber wer weiß das schon)
Am anderen Morgen erkenne ich in Hossegor das Hotel eines Urlaub vor mehr als einem halben Jahrhundert
In der Ferne locken die Pyrenäen
D´Frau erkennt den Larhun, franz. La Rhune obwohl er/sie nur 905 Meter hoch ist
Dann Bayonne
Eine von zahlreichen Festungen von Vauban, dem höchst produktiven Baumeister des grandiosen Sonnenkönigs. 2008 gab es ziemlich Ärger, als die UNESCO nicht sämtliche Anlagen des Meisters als Welterbe aufnehmen wollte.
In der Cathédrale Sainte Marie de Bayonne versammeln sich im Mittelalter Pilger auf dem sogenannten Voie de Soulac (nördlich von unserem Capbreton gelegen), einem Abschnitt des Jakobswegs nach Santiago. Eine Statue des als Pilger gewandeten Heiligen Jakobus steht im südlichen Querschiff. 1998 wird die Kathedrale als Teil des „Weltkulturerbe(s) Jakobsweg in Frankreich“ ausgezeichnet.
Wir genießen das bunte Menschenwerk und seine passende Stilvielfalt unabhängig von tourismuswirksamen Auszeichnungen und bauhistorisch strengen Stil-Vorgaben
An Biarritz fahren wir heute wieder mal vorbei
Das spanische Herzstück des Golfes von Biskaya lockt mehr. Der tiefe Capbreton Meeres-Canyon verläuft hier parallel zur Küste und begünstigt regelmäßig einen ordentlichen bis extremen Seegang. Für HDM, sonst standortbedingt Anhänger von Binnengewässern zwischen Boden- und Würmsee mit Mittelmeerbezug, schon als Vorstellung immer wieder gigantisch.
Gesteinsformationen, hier unterschiedlichste Schichtungen, sind eine Fundgrube für Geologen
Unterwegs unweit der Küste dann immer wieder bescheidene …
… baulich stilfrei eigenständige …
… und malerische Orte

In Comillas bleiben wir über Nacht
Nur von wenigen Vecinos umgeben schmecken die diesmal ausschließlichen Früchte des nahen Ozeans besonders gut
Anderntags lockt der Strand unter dem Hotel
Nichts wie hin
Auch Hundebesitzer genießen ihre spezifische Herausforderung moderner Freizeitgestaltung
Einer unserer meist schwarz gefiederten Begleiter und Lebenskünstler ist schon da
Friedhöfe unterwegs erzählen viel über Land und Leute
Abgelegene liebliche grüne Landschaften und Meerzungen prägen die Leute
Spanische Stier- statt französische Charolais-Idylle
Ehrgeizige Pilger***Innen sind auch schon da
Das Zwischenziel Ribadesella lockt für devotes pilgerliches Fundraising
Als Kindheitsort der jetzigen Königin Letizia, frühere Prinzessin von Asturien, ist der Ort recht attraktiv geworden (HDM schätzt sie. Wie der Kini verbindet sie nicht nur Königstreue)
Weniger prinzessinnenhaftes Geschöpf am Wegesrand
Für das Tagebuch ist längst ein Atlantik-Selfie fällig
Besuchsauftakt in Aragon´s Oviedo. Die aktuelle Fiesta San Mateo animiert
Die jovenes
Los Jovenes wollen, noch unbekümmert, hoch hinaus
Im Land des Cidre
Als Hauptstadt Sitz der Junta de Aragon
Bürgerhäuser und Wohnungen im doch recht wohlhabenden Norden
Demo von Meernähe auf dem Teller
In Aragon gibt´s eher Bären als Stiere
De vuelta en la carretera – Ein kleines „Bloquons tout“ auf spanische Art auf dem Weg zu unserer klösterlichen Hospederia für heute Nacht: Die Polizei will uns nicht durchlassen … Caramba!
Erinnere mich an vorausgehende gute Erfahrungen mit der Guardia Civil (im Foto in einer früheren reisenahen Angelegenheit)
Durch entsprechend gutes Benehmen und mithilfe des vorbei kommenden Amigos eines dortigen Mönches erreichen wir das streng bewachte Ziel. Unerwartet erleben wir morgen hautnah einen Ort jüngerer noch nicht aufgearbeiteter spanischer Geschichte.

Das nächste Mal mehr

Moments français sur la route

Bien plus qu’un apéritif

Frankreich macht Spanien erst richtig schön. Genauer gesagt, unsere Spanien-Reisen durch Frankreich haben´s in sich und entfalten ihr Eigenleben. Einfach drüber fliegen ist viel zu schade. Dafür mögen wir Land, Kultur, Sprache und die Nachbarn unterwegs zu sehr. (Wohl wissend dass dies nicht jeder uneingeschränkt nachvollziehen kann.)

Wir wollen keine lohnende Gelegenheit versäumen. Natürlich sind hier Erlebnismomente häufig auch von landschaftlicher und baulicher Gestalt. Fraglos sind alle Eindrücke mehr als nur Vorfreuden auf unsere Communidad Valencia. Vive la France!

Das erste, höchst bewusst gewählte Tagesziel ist Cluny in der südlichen Bourgogne mit seiner ehemals klösterlich-revolutionären Abtei.

Im vorausgehenden Beitrag erinnert sich der regelmäßig geneigte Leser an das lang zurückliegende Schlüsselerlebnis mit HDMs Primaten Megge, einem schwarz gehäubten Kapuziner, im Gasthaus Ochsen.

Ein paar Kilometer weiter dann, vor drei Jahren, ein weiteres süffisant erinnerbares Ereignis:

In Ochsenhausen gibt‘s regelmäßig ein schwäbisches Amuse-Gueule: eine Butterbrezel mit Kaffee. Ein fürwahr zünftiges Frühstück für Angehörige und Gleichdenkende von HDM‘s Landsmannschaft.

Jahrgängerin und Bäckermeisterswitwe Grieser gibt uns damals eine volle Tüte „Weckle“ für die lange Fahrt nach Spanien mit.
Schwäbische Großzügigkeit fragen jetzt Nordlichter rhetorisch spöttisch!
(Das zweifelhafte Klischee „Mir gäbad nix“ im trügerischen Hinterkopf)


Fakt ist: Die am Vortag übrig gebliebenen schwäbischen Weckle erweisen sich aufgrund ihrer altersgerechten Konsistenz als idealer Knabberspaß für den kleinen Hunger unterwegs nach unserer Peninsula.
(So isch jedem g´holfa)
Das obligate Allgäuer Storchenfoto stammt aus Ringschnait vor Biberach.
Auf dieser Länge schlängelt sich die junge Donau noch unbekümmert durch die Landschaft.

Durch die sich sensibel nach (derzeit noch grüner) Landesart flussgerecht anpassende Straßenführung sind mehrere Donau-Überquerungen erlebbar.

Für einen nativen Baden-Württemberger sind dies durchaus emotionale Erlebnisse. Dem kann selbst die wenig grüne Energietechnologie nichts anhaben.

Dann die Donau-Versickerung
Ohne Vorstellungskraft geht hier allerdings gar nichts. Die Ablichtung des behördlichen Tuttlinger Schaubildes sagt hier mehr als tausend beste Versickerungs-Fotos
Der legendäre Hirschsprung im Höllental (wo isch er denn?) übertrifft seit dem ersten Schulausflug die später erfahrenen bairischen Jagergeschichten bei weitem
(Da fällt mir noch – auf die Unistadt Freiburg zu fahrend – ein dass eine themenrelevante Studie der dortigen Alma mater soeben ergaben hat, dass Vorstellungswelten die gleichen neuronalen Strukturen nutzen wie bei der Verarbeitung realer visueller Reize. Wie gscheid.)
Dann die jedesmal aufregende Überquerung des legendären Rheins sowie des Grand Canal d’Alsace

La France, nous sommes de retour!

Die erste Napoleon-Allee durchfahren wir bei ‎⁨Ranspach-le-Bas⁩. Vermutlich ist es die zweite Baum-Generation der großen Erfindung des kleinen Kaisers.


Vielleicht ist die innovative schattenbringende Straßengestaltung, damals als Sonnenschutz für die französischen Truppen gedacht, ein Grund für die unkompliziert selbstbewusste Beziehung unserer Nachbarn zu ihrem nicht nur Gutes tuenden eroberungsfreudigen kaiserlichen Führer?
Könnten diese betagten Platanen hoffentlich doch noch originär kaiserlich sein, mutmaßen wir nachrechnend?
In der Ferne die Vogesen

Die mäßigen Sichtverhältnisse halten uns Gott sei Dank von einem Abstecher ab. Einmal hatten wir bei Nacht und Nebel den Grand Ballon (Großer Belchen, 1424 m) mit dem Ballon d‘ Alsace (Elsässer Belchen, 1247 m) verwechselt
Auf dem weiteren Weg erste österliche Momente
Im südlichen Elsass sind die schönen Fachwerkhäuser noch nicht so touristisch aufgemotzt wie auf den Breitengraden zum Nachbarland Baden-Württemberg.

Von dort fließt bald nach Erfindung der Amitié franco-allemand touristische Kaufkraft in den damals gleichermaßen weniger entwickelten Norden.
Vor Belfort ein kommunikationstechnisch höchst bewehrtes Mairie für HDMs fotografische Sammlung französischer Rathäuser.

Da sieht man gleich wer in den Communen des französischen (und europäischen) Südens das Sagen hat.
Das Burgunder Weinland ist im Frühjahr wenig spektakulär
Zu tun gibt´s immer was. Der gute Ruf und kleine Maschinen sichern das Überleben.
Weiche liebliche Landschaften zum Süden hin
Am ersten Tagesziel ist´s dann – nach und trotz der beinahe neunhundert Kilometer Richtung Westen – schon dunkel. Das Hotel haben wir Gott sei Dank von unterwegs gebucht.

„Justement après le pont“ sagte die elegant vertraut klingende französische Frauenstimme am Telefon. Beim Einzug erübrigt sich die Frage nach einem ruhigen Zimmer.
Frohe Erkenntnis am nächsten Morgen: Wir sind auch bestens gelegen
Die Brücke führt in umgekehrter Richtung unmittelbar ins Zentrum von Cluny
L´Abbaye de Cluny: Erlebnis-Momente zwischen realer und digitaler Stein- und Geistessubstanz

Der geneigte Leser habe Nachsicht. Es folgt ein längerer Beitrag aus eigenen Eindrücken und einiger Recherche. Eigentlich sollte es ein simpler fotografischer „Reisemoment Cluny“ werden wie andere auch.

Irgendwie aber fasziniert der Ort anders, braucht ein Hinterfragen. Es ist die spannende Vielfalt und Mischung so nicht voraussehbarer Momente: Einsame weite sanfte Landschaft, beeindruckende reale steinerne Baudenkmäler, sorgfältige auch kleinste Resteverwertung, die ständige Vermischung mit imaginären Vorstellungswelten. Das gehört schließlich zu unserem Thema.
Anmerkung: Und d´Frau hat das Etappenziel schließlich schon länger auf der üppigen Wunsch-Reiseliste besonderer französischer Orte.
(Dabei meint „d´ Frau“ i. d. R. die bairisch-diplomatische genderfreundliche und höfliche Einbindung einer Angetrauten in eine eigentlich männliche letztlich aber zweckmäßigerweise doch gemeinsame Erlebniswelt. Hier zur Überwindung der Distanz zwischen dem nicht diskutabel feststehenden Startort und dem ebenso konkret vorgegebenen Zielort der spanischen Bleibe. Ein Fahrzeug sollte trotz Alexander von Humboldt-Ambitionen dafür ausreichen.
Der verstorbene Münsinger Senior-Altwirt Joseph Großmann hat diese Sprachkultur mit Bravour artikuliert und gepflegt. Leider gerät sie zunehmend in Vergessenheit und wird durch das umständliche und bzgl. seiner Ehrlichkeit zuweilen zweifelhafte „meine Frau und ich“ spätestens in jedem zweiten Satz ersetzt.)

Das 5000-Seelen-Örtchen Cluny im Département Saône-et-Loire versteckt sich im Süden Burgunds. Jeder denkt dabei an Wein. Aber außerhalb der großen französischen Ferien schlummern im weiten Tal der Grosne zwischen Wiesen, Weiden und sanften bewaldeten Höhenzügen Cluny und seine umhegten Klosterreste.

Hecken aus Dornensträuchern und alten Kopfweiden unterbrechen die weiten Flure. Das Flüsschen entspringt in den Bergen des Beaujolais und mündet nach kurzlebigen hundert Kilometern kurz vor Chalon in die Saône. Im Winter verschafft es sich durch Überschwemmungen Raum. Dann verschmelzen Land und Himmel im Tagesverlauf in einem Meer immer neuer Spiegelbilder.

Das einstige Kloster wird 910 n. Chr. von Wilhelm von Aquitanien gegründet. Anders als bei anderen Klostergründungen verzichtet der Herzog auf Einfluss und Kontrolle. Cluny wird direkt dem Papst anstatt einer weltlichen Macht unterstellt und ist so weitgehend eigenständig. Der Abt wird nicht vom König bestellt, sondern von den Mönchen gewählt. (Da kommt einem vergleichend das heute oft so überzogene Demokratie-Geschwätze und Gehabe in den Sinn.)

Dem Schutz des Papstes unterstellt werden das Kloster und seine bald vehement wachsende Kongregation in der späteren Auseinandersetzung mit dem Kaiser (Investiturstreit) dessen wichtigste Verbündete. Papst Gregor VII. war selbst ein ehemaliger Mönch aus Cluny.

Die Werte Gehorsam, Demut, Vergänglichkeit und Endlichkeit des Lebens stehen im Mittelpunkt. Dies verlangt schließlich die Durchsetzung einer strafferen Liturgie. Beteten die Gründungs-Benediktiner als Zielvorgabe 40 Psalme am Tag, erhöhen die asketischen Cluniazenser das Soll jetzt auf 200. Welch eine beeindruckende Zielsteigerung! Ohne Zugeständnisse durchsetzbar, fragt sich der Marketingmensch?

Die frühere Benediktiner-Positionierung Ora et labora und dabei von der eigenen Hände Arbeit leben wird damit gleichzeitig wesentlich geändert. Das klösterliche Handwerk und die regionale Landwirtschaft ums Kloster herum entfallen und werden, höchst neuzeitlich, an Externe ausgegliedert: Man lebt jetzt von den Abgaben abhängiger Bauern. Schließlich kann man ja nicht alles selber machen (be single minded – siehe die 20 HDM-Beliefs des guten Managers). Die asketische Liturgie übernimmt.

Der Marketingmensch darf sich jetzt vertiefend (und ein bissle der Gaudi halber) fragen, ob die Mönche inklusive Abt damals übers Ziel hinausschiessen? (Zugegeben, auch die beschönigenden und voneinander abschreibenden zahllosen Darstellungen zum Thema nerven ihn) Also: Wäre es vielleicht besser gewesen, das vermutlich in die Jahre gekommene Vermächtnis des Benedikt von Nursia an seinen Schwachstellen gezielt neu zu beleben? Etwa im Rahmen eines sich an neue Gegebenheiten anpassenden Relaunchs anstelle einer riskanten Neu-Positionierung.

Zumindest die sich jetzt auferlegte asketische Disziplinierung scheint dem Geist der Zeit zu entsprechen. Üppige Schenkungen fließen und sind ohne eigenes lebenserhaltendes Tun mehr als willkommen. Sie führen zu Reichtum und klösterlicher Prachtentfaltung. Die bauliche Entwicklung „zur Ehre Gottes“ verläuft bombastisch und scheint die neue Positionierung zu rechtfertigen. Aus der anfangs bescheidenen Klosterkirche wird „Cluny II“. 1088 beginnt der Bau von „Cluny III“. Eine Maior ecclesia (lat. größte Kirche) will der Geistliche Hugues de Semur schaffen. 

Cluny III wird tatsächlich ein maßlos überdimensioniertes Gotteshaus: 187 Meter lang (40 Meter länger als der Kölner Dom), vier Seitenschiffe, zwei Querschiffe, ein doppelgeschossiger Chor mit riesigem Säulenumgang. In den sich anschließenden fünf halbrunden Kapellen werden die Reliquien präsentiert. Fünf Türme vertreten den klösterlichen Gigantismus nach außen. Bis zum Bau des Petersdoms im 17. Jh. ist die Abteikirche von Cluny das größte Gotteshaus der Christenheit.

So entwickelt sich das Benediktinerkloster von bescheidenen Anfängen bis zum Ende des 11. Jahrhunderts zu einem der einflussreichsten religiösen Zentren des christlichen Europa. Zur Blütezeit gehören mehr als tausend Klöster zu Cluny, im württembergischen Teil des Schwarzwalds dient im späten 11. Jh. das Kloster Hirsau als Cluniazenser-Stützpunkt.

Heute gibt’s in Hirsau den Calwer Klostersommer, ein stimmungsvolles Kultur- und Musik-Potpourri mit Klosterruinen-Kulisse. Und, ein weiterer Bezug zum Ländle: Der Stammvater der legendären Markgrafen von Baden, Hermann I. von Baden, stirbt nur 34-jährig 1074 in Cluny. HDMs Freund Hans Merkle kennt dieses Datum mit Sicherheit. In seinem neuen Buch „Napoleons Schwiegersohn Großherzog Karl-Ludwig-Friedrich von Baden (1786-1818)“ rückt er diesen umstrittenen badischen Markgrafen ins rechte Licht: Er hat es verstanden „sich mit klugen Beratern zu umgeben und auf sie zu hören“ und „dem Land Baden die erste freiheitliche Verfassung in Deutschland gegeben“ (Verlag Regionalkultur). Hans kann wie kein anderer Wesentliches erkennen und minutiös herausarbeiten. (Im Lichte der heutzutage chaotischen Vielfalt, auch und gerade im Marketing, eine nicht hoch genug zu schätzende Gabe)

Natürlich hätte der (imaginäre) Marketingmensch die weitere Entwicklung „kommen sehen müssen …“ Der ursprüngliche Erfolgsfaktor einer eigenständigen spezifisch wertorientierten Selbstverantwortlichkeit im Sinne des Ora et labora ging verloren. Der folgende totale Verzicht auf eigenes lebenserhaltendes, damals handwerkliches und landwirtschaftliches Tun, widerspricht der klösterlichen Grundidee. Deren ausschließlicher Ersatz durch eine auch noch so wertgeladene und asketische Liturgie kann nicht tragen.

Geschwächt gewinnt die französische Krone jetzt zunehmend Einfluss. Die Äbte werden zu Verwaltern. Ab 1515 werden sie vom König ernannt. Das Kloster verliert seine grandiose Bedeutung. In den französischen Religionskriegen 1562 bis 1598, bei uns als Hugenottenkriege bekannt, wird die Abtei gleich zweimal verwüstet.

Ein halbes Jahrhundert später werden Minister wie der legendäre Richelieu als königliche Belohnung zu Äbten von Cluny befördert und können die Einkünfte der Abtei ohne „Amtspflichten“ für sich persönlich nutzen. Parallelen zu heutigen korrupten Privilegien seien erlaubt.

Die Französische Revolution gibt dem Kloster den Rest. 1798 wird die Abteikirche an einen Händler verkauft und dann als Steinbruch für den Straßenbau und die Häuser der Stadt verwendet. 1823 sind durch die Säkularisierung schließlich noch geschätzte 10% der früheren Bausubstanz übrig.

Bemerkenswert ist die inhaltliche Identität zwischen der ursprünglichen klösterlich-freiheitlichen Gründungsidee und dem Liberté-Egalité-Fraternité-Ziel der Revolution vom 14. Juli 1789.

Der Niedergang ist die Basis für den heutigen Tourismus-USP 1 einer zeitgemäßen digitalen Vorstellungswelt in enger Verbindung mit den ehemals gigantischen alten Klostermauern. Dies ist vermutlich stimmig. Ob die damit überzeugbaren Zielpersonen und Gruppen auf Dauer ausreichen bleibt noch offen. (Vgl. Zielgruppen-Definition aus HDM-Marketing-Seminaren in Fußnote am Ende des Beitrags) 2

Wer das Weltkulturerbe heute besucht wandert nämlich zwischen französisch (mit europäischer Unterstützung) vorbildlich und stolz aufbereiteten Ruinen, Relikten aus Stein und Holz, den jetzt innovativen digitalen Aufbereitungen. Wie grandios die Maior ecclesia einst war kann man in einem kleinen Kinosaal ehrfürchtig erleben. Dort wächst Cluny Kirche um Kirche virtuell zum Supershow heran.

Zurück zum Sichtbaren: Auch die erhaltenen Teile der einstigen Superanlage sind aus südöstlicher Sicht durchaus beeindruckend
Der wuchtige schlichte romanische Kreuzgang
Das gut erhaltene Speicherhaus (le farinier) – das stattliche Gebäude kann sicherlich als repräsentativer Anlieferort von Ware der dann externen Bauern und Handwerker dienen
Seine imposante Holzdecke
Heute minimales dem Fotografen geheimnisvoll erscheinendes Klosterleben in langen dunklen Fluren
Mit der Kamera erspähtes modernes Klosterleben
Resteverwertung
Die Französische Revolution gibt dem Kloster den Rest. 1798 wird die Abteikirche an einen Händler verkauft und dann als Steinbruch für den Straßenbau und die Häuser der Stadt verwendet.
In der Vorstellung beinahe makaber: Der klösterliche Lieferant und die damaligen Abnehmer des Baustoffs leben heute dicht und friedlich nebeneinander
Die Klosterapotheke hat sich im Laufe der Jahrhunderte offenbar an die Gegebenheiten des jeweiligen Krankheits- und Gesundheits-Marktes angepasst
Das Metzgerhandwerk profitiert nun vom Tourismus einer digitalen hyperklösterlichen Vorstellungswelt

Sans nul doute, Cluny mérite plus qu’un seul moment

Die kreative Kombination von Erhaltenem, minutiös zusammen getragenen Resten und ergänzender digitaler Darstellungen ist französisch anspruchsvoll!

Persönlich mag man einschränken: Der ehemals klösterlich-bauliche Gigantismus mündet jetzt in ein mittelalterlich-modern-technologisches Event-Spektakel. Wer noch etwas Kloster-Feeling sucht, mit einem Hauch ehemaliger Benediktiner-Werte, besuche besser andere Klöster.

Noch ein Letztes: „Die Reformbewegung von Cluny war im Mittelalter nicht nur für die geistliche Erneuerung der Kirche von größter Bedeutung, sondern auch für die Identitätsbildung eines christlichen Europa“ so liest man sinngemäß allerorts, oft und netzumspannend. 

Wie aber soll um Himmels willen diese Reformbewegung zur zweifellos erforderlichen Identitätsbildung eines christlichen Europa beigetragen haben oder beitragen?
So fragt sich der trotz aller Recherche ratlose Autor.

Tröstend dass es unweit ein schon im Jahr 997 gegründetes etwas anspruchsloseres Pendant gibt: Begehbar, haptisch, überschaubar, bestens erhalten. Wir haben Paray-le-Monial schon vor einem Jahr besucht. Sich mit Ort und Kloster zu identifizieren fällt hier leicht.


Damals vor einem Jahr, um die gleiche Zeit, klärt sich der Himmel nach ziemlichem Regen gen Westen zum Atlantik hin auf. Wir ändern das südliche Tagesziel und wählen das Aufhellung versprechende westliche Paray-le-Monial⁩.

Dies liegt im Département Saône-et-Loire in der unlang neu gebildeten Region Bourgogne-Franche-Comté, am Fluss Bourbince und am Canal du Centre. Unbestrittener Lockvogel, auch für uns, ist seine ehemalige Prioratskirche Sacré-Cœur und deren als spektakulär angepriesene Lage.
Das erste Bild ist ein versprechendes Graffiti am Stadteingang. HDM sammelt diese spaziergängernahe handwerkliche Kunst-Kategorie.
‎⁨Dann das Original – sogar mit einem „arc-en-ciel“ garniert

Par Dieu, cela vaut la peine de faire un voyage, pas seulement un détour, denken wir elektrisch französisiert

Im Jahr 997 gegründet ist die spätromanische Basilika seit 1875 dem „Heiligen Herzen“ geweiht.
Sie vermittelt, so erfährt man, einen Eindruck von dem was Cluny einst war:
Mit drei Schiffen im Vergleich zu fünf in Cluny, einem einfachen statt doppelten Querschiff, dem in gleicher Weise angeordneten Gewölbe …
Knapp eine Stunde später abends um sieben, wiederum in der Bourbince gespiegelt
Obwohl es die meistbesuchte Attraktion des Départements ist sind wir mit Mönchen und einem Citoyen allein
Das wuchtige mittlere der drei spätromanischen Schiffe
Auch der unvergessene Johannes Paul II würdigte den heiligen Ort
Stimmungsvoller Moment der Demut und der Bewunderung

Ursprünglich wurde die ehrwürdige französische Kriegserinnerung 1900 für die Gefallenen des 1870-Krieges errichtet, dann in 1923 für die Opfer des
1. Weltkriegs erweitert
Frankophiler Genussmoment in Form eines Jarret de veau (Kalbshaxe en allemand) vor der klösterlichen Nachtruhe
… mit erleuchtendem Bezug zur nahen Sacré-Cœur
Den Canal du Centre kennen wir von einer früheren Reise. Etwas mehr als hundert Kilometern lang verbindet er höchst malerisch die Loire mit der Saône.
Paray´s Mairie aus dem 16. Jahrhundert für HDMs Rathaussammlung nicht zu vergessen! Es ist das ehemalige Stadthaus eines reichen Tuchmachers der frühen Renaissance. Muschelornamente und Porträts französischer Könige überziehen die Fassade.

FIN
Paray-le-Monial⁩
Nach der vorausgehenden Paray-Einfügung wieder unterwegs und auf der Lauer nach französischen Rathäusern am Wegesrand:
Oben ein einfaches aber stolzes Modell
Dieses steht vermutlich für eine weniger erfolgreiche Gemeinde
‎⁨In Collonges-la-Rouge wird das Marie im Vergleich zu den normalen Häusern erstaunlich wenig seiner Dorffarbe gerecht
Die modern-digitale Variante zum eingangs gezeigten Mairie bei Belfort: Aktuelle Mitteilungen gibt’s hier per Bildschirm
Die immer stolze und in ihren Farben höchst differenziert bedeutungsvolle Tricolore fehlt an keinem Rathaus
… genau so wenig wie die Pâtisserie am Ort. Es muss nicht immer ein Champion sein, die ganze Branche ist fürwahr weltmeisterlich
Solche Straßenmomente sind bekömmlicher … ein kleines Schwätzchen en français kann ja auch genüsslich sein
Durch Lyon kommen wir diesmal ganz gut durch – das Musée des Confluences dieser faszinierenden Stadt haben wir bisher immer nur von außen gesehen
Und dann die Rhône …
… und ihre vielfältigen Brücken
Auf der Uferpromenade ein etwas hölzern wirkender Beweis der viel gepriesenen Amitié franco-allemand
Von der Pose dieser beiden Protagonisten ist Madame, Halterin des bunten Rüden, lobend entzückt (sinngemäß zu ihrem Mann: „les deux sont vachement ravissants et adorables“)
Das heutige Tagesziel Sète ist wieder mal erreicht

In unserem Lieblingshotel (zweckmäßig, vertraut, stadtnah, prix avantageux, der sichtbare geschlossene Parkplatz) belegen wir die etwas unromantische Lieblingsseite zum Hafen hin.

À propos Parkplatz: Unweit ist HDM über Nacht einmal, direkt vor dem Hoteleingang und als Grande Surprise für die Hotelbesitzerin, ein 911er abhanden gekommen. Selbst la Gendarmerie zeigte sich erstaunt.

Dies hat damals HDMs Amitié etwas getrübt.
Ausgleichende Romantik auf dem Weg zum …
… kulinarischen Tagesziel
Anderntags fahren wir durch und wollen ankommen

Die nahen Pyrenäen sind uns schon ziemlich vertraut. Wir grüßen den heute zwischen Wolken aufblitzenden Pic Canigou.
Die Überquerung des Ebro hat mittlerweile eine ähnliche Bedeutung wie die D.
Auch der E. und sein Delta sind mit Erinnerungen verknüpft.
Während kleiner Kaffeepausen, hier abseits der katalanischen Autopista, finden wir schnell wieder typische Szenen spanischen Dorflebens
Dann kommt Dénia´s imposanter Hausberg el Montgó in Sicht.
Rechter Hand beginnt das bestvertraute Marjal de Pego-Oliva.

Wir sind da!

Nächstes Mal kommen neue Momente in und um Dénia herum dazu
Quien lo quiera
Un saludo

Kleine Momente ganz groß

Häufig sind es die kleinen Augenblicke die wirklich zählen. Spontane Beobachtungen im Tagesablauf, an besonderen Orten, auch an schon bekannten, in besonderen Situationen, schon vertraut oder neu, mit oder ohne Menschen … .

Im Kopf entstehen Bilder, vor der Linse Fotos. Solche Momente sind überschaubar und leichter verständlich als umfassende Inhalte, besser erinnerlich. Wir können damit gut umgehen und erleben sie.

Fotos kommunizieren schnell. Und, sie stimulieren unsere Kreativität und eigene Gedanken. Jeder kann sich seine eigene kleine Vorstellungswelt im Einklang mit den Bildinhalten schaffen. Diese Vorstellung ist umso stringenter je klarer der betrachtete Bildinhalt ist.

Dafür steht der engagierte Fotograf: Was soll mein Foto kommunizieren? (Über bloßes, allzu übliches Knipsen hinaus.) Welche Absicht, welches noch so kleine Ziel verfolgt das Foto? Der Vielfalt sind keine Grenzen gesetzt. Hier liegt der eigentliche Reiz des Fotografierens, natürlich über das rein Handwerkliche und faszinierend Technologische hinaus. Also, wie schaffe ich welchen Zielinhalt besonders gut?

Dazu ein kleiner Fachexkurs: HDM erinnert sich gern an das „frame objective“ für jede einzelne Schlüsselszene eines Werbefilms. Dieser für zumindest damalige P&G-Spots höchst beachtete „spezifische Sinn“ einer einzelnen Szene – ein Teilziel (objective) des gesamten Werbefilm-Ziels und seiner copy strategy – ist auch für einzelne Fotos, Videos und letztlich alle Kommunikationsformen gültig.

Auch Filmemacher des großen Kinos und erfolgreicher TV-Serien beachten solche Anforderungen. Der Dietl Helmut zum Beispiel (Münchner Geschichten, Der ganz normale Wahnsinn, Monaco Franze …) hat solche Teilziele für einzelne Film-Sequenzen intuitiv überzeugend beherzigt. Die Produktion unserer damaligen Werbefilme hat ihm seine Intuition bewusst gemacht. Good to remember.

Der folgende Post umfasst objektiv recht „normale“ fotografische Momente unseres letzten Vierteljahrs. Aber, immer wenn es wieder mal ins valencianische Zuhause geht erfahren wir, häufiger als sonst, solche Momente ganz besonders – nehmen das Jetzt und Hier bewusster wahr. Danach auch auf der Reise selbst und im südlichen Zuhause.

Oft sogar mit zusätzlichen Erkenntnis- und Erlebnisinhalten – trotz des eigentlich längst vertrauten bildlichen Umfelds in Ambach, in München, drum herum oder dann unterwegs und am Reiseziel.

Die Gelegenheit ist günstig. Und höchste Eisenbahn endlich wieder mal was zu posten. Vor einem langen Jahr über die Fallas-Kunst im Land Valencia, jetzt über fotografierte Eindrücke in Münchens Museumsviertel. Aus urheberrechtlichen Gründen zumeist leider nur ohne die reizvolle Verbindung zu den Exponaten.

Für Museumsbesuche ist Sonntag ein guter Tag. Die Münchner fahren raus aufs Land, wir rein in die Stadt. Schon die für unsere Richtung leere Autobahn ist ein Erfolgsmomentum. In den Museen sind wir dann für einen Euro pro Kopf dabei.

Weitere fotografische Momente folgen im nächsten Post. Schwerpunkte sind dann Stationen durch Südfrankreich, Spaniens Nordosten und natürlich der Zielort Dénia mit vertiefenden und neuen Eindrücken von dort.

Wir parken bei der Mensa der Technischen Universität. Obwohl immer noch ziemlich schmuddelig weckt sie doch liebe alte Erinnerungen.
Fernöstliche Touristen oder Studiosi der nahen TU? Oder einfach ein üblicher Moment der Zweisamkeit?

Mir allerdings kommt das berühmt-berüchtigte rote Mao-Büchlein in den Sinn.
Ein überzeugendes YES zum Museums-Claim:
Erwartungsfrohe Gäste balancieren der Kunst entgegen
Museums-Moment einer lockeren Kunstbetrachtung

Einträchtig gemeinsames Sehen
Kids im Kunstbetrieb
Pharaonisches Ereignis der besonderen Art mit Paul
Selbst verfremdet ein Schlüsselbild (Key Visual) für eine grandiose antike Epoche
Gärtnerische Neugestaltung vor ehrwürdiger Pinakothek-Fassade – für HDM einen Klick wert
Alltags-Moment im Hauseingang gegenüber der bunt gekleideten renommierten Kunstsammlung Brandhorst
Remember: On Sundays one Euro only

Ob die Bewohnerin im Hauseingang die Gestaltungen an der Flurwand gegenüber noch wahrnimmt?

Die traditionell übliche Belohnung für vorausgehende Museums- und Hauseingangs-Besuche:

An dieser in der Adalbertstraße 15 lockenden Genuss-Hälfte hängen Erinnerungen an den ersten Holzofen-Italiener Mario und die Gerüche im darüber liegenden Penthouse
.
Idylle im Salon: Warten auf Wäsche
(hoffentlich ohne Grauschleier)

Um den Mario herum ist sich Schwabing ziemlich treu geblieben
Immer mehr Begleiter auf Pfoten und Hindernisse auf Rädern unmittelbar auf den zunehmend diversifiziert bevölkerten Gastronomietrottoirs.

Ohne die rote Sammelbeutel-Innovation wären solche wohl undenk- geschweige denn begehbar.

Da kommt mir das heute versäumte innovative Katzentempel-Café in der mehr unteren Türkenstraße in den Sinn, laut eigener Aussage das erste seiner Art.
Verfügbarer Katzen-Café-Ersatz-Moment im Nymphenburger Palmengarten
Beim heutigen Sport-Event gesund leben
Eine versöhnende artige Begegnung am Josephsplatz.

Allerdings, nicht mal einen Augenblick lang schaut er einem in die Augen oder wenigstens in die Linse.
Wieder zurück auf dem Land und an Fasching urig bairisch weiß-blau unterwegs:

Die Reichersbeurener fallen mit ihrem Muafaz, bescheiden als die Mutter aller Gaudizüge postuliert, alle zehn Jahre zu Fuß und mit selbst gebastelten Themenwagen im fünf Kilometer entfernten Bad Tölz ein.

Noch anspruchslose kindliche Erlebensmomente nach einem Faschingszug im kleinen Ort Habach
Unweit ein liebes Marterl im Schutz einer urigen starken bayerischen Eiche
Alternative Baumnutzung durch einen Biber am Starnberger See. Er zieht weicheres Baumholz der Eiche vor. Wenig artgerecht macht er sich hier jedoch abseits von fließendem Wasser zu schaffen.

(Spürt das kluge Tier etwa dass die Würm durch den See fließt)
Da identifiziert sich einer mit der alten, nicht mehr ganz so starken Eiche
Abends genießen wir im Ambacher Zuhause den See

… morgens das Bernrieder Klosterkirchlein gegenüber
Im nahen Seeshaupt lohnt sich ein vor der Abreise letztmaliger Lieblingsgenuss doppelt: Durch die vietnamesische Nationalsuppe Pho …
… und den schmeichelnden Glückskeks
Ein für diesmal letzter Ausflug Richtung Berge auf dem Tegernseer Höhenweg Nummer 510
Ohne deftige Belohnung geht auch hier nichts … wetten wo?
Erste Vorboten für „Es grünt so grün wenn Spaniens Blüten …“
Die letzte Orange aus eigenem Anbau vom letzten Mal schmeckt auch etwas trockener immer noch wie hausgemacht („casera“)
Am nächsten Tag geht´s dann wieder mal los. Spanien ruft.

Schon ein paar Kilometer vor Ochsenhausen in Erlenmoos im Allgäu ein vertrauter Moment – in Form eines stattlichen Hauses. Auch vor kurzem umfassend renoviert besteht unser Moment fort.

Im früher urigen Gasthaus Ochsen tat sich vor sehr langen Jahren unser Kapuziner Meggele an den Pommes Frites des freundlichen Nebentisches gütlich. Vermutlich ein Schlüsselerlebnis auch für die begeisterte Gästeschaft.

Ein unvergesslicher Augenblick. Foto vom Haus genügt.
Damals
Für Blog-Neulinge hier ein zweifaches Jugendfoto
‎⁨Selbst bei geringer Fotoqualität jedesmal mehr als nur ein flüchtiger Coup d´œil
(le Grand Canal d’Alsace⁩)

Weitere fotografische Momente folgen im nächsten Post. Schwerpunkte sind dann Stationen durch Südfrankreich, Spaniens Nordosten und natürlich das Reiseziel Dénia.

Persönliche Anmerkung: Vor ein paar Tagen treffen wir Doris und ihren lieben Mann Antonio in Dénia auf der Straße. Sie outet sich als treuer Blog-Fan und ermutigt HDM endlich wieder mal was zu posten.
La voilà, das schmeichelt mehr als ein Glückskeks.

VERBRANNTE KUNST

Nein, es geht nicht um böse Erinnerungen an germanische Exzesse. Vielmehr um lebendige, möglicherweise etwas aus der Art geratene valencianische Traditionen.

Touristen lieben sie, diese Fallas. Für uns Halbspanier sind sie emotional einfacher nachvollziehbar als Stierspektakel im südlichen Andalusien, zuweilen auch noch hierzulande im Land Valencia. Die Fallas jedoch sind auch unsere Fiestas.

Nach einem Jahr konzipierender, gestalterischer und handwerklich anspruchsvoller Arbeit wird das kreative Oeuvre publikumswirksam verbrannt. Vor ein paar Tagen war es wieder soweit. In der Hauptstadt Valencia lockte die feurige Cremá 2024 wiederum Legionen aus der ganzen Welt an. Bei uns in Dénia sind es Gott sei Dank weniger. Mein gescheiter Friseur Paco Moncho meint trotzdem, Dénia solle das Spektakel Valencia überlassen. Ihn (und uns) stören allerdings eher die öffentlich organisierten Mascletàs und tagelangen Knallereien auf den Strassen, auch direkt vor seinem kleinen Salon um die Ecke des zentralen Campo.

Sind gerade noch rechtzeitig angekommen. Wir nehmen die spanische Lebensfreude auf. Von den kritischen Aussagen der Fallas-Kreationen lernen und profitieren wir. Fotos sollen dies erklären.

Die Entstehung der Fallas ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich haben sich die Menschen vom Winter verabschiedet. Vielleicht ihr angesammeltes Gerümpel, die Holzberufe ihre Abfälle entsorgt. Feuer und Knallen gehören ohnehin zum Land. Entsorgung und Lebensfreude in einem.

Wir staunen jedes Jahr aufs Neue über die Vielfalt der Kreationen und die unbeschwerte Art durch sie mit gesellschaftlichen und politischen Themen umzugehen.

Unsereins bedauert schon jetzt diese lebensfreudigen Scheiterhaufen gestalterischer und handwerklicher Kunst. Echte Valencianos jedoch freuen sich auf die nächtliche Cremá. Dann wird die Kunst verbrannt.

Unser Trost: Ein paar wenige Figuren landen im Lager der sie gestaltenden Bruderschaft oder im Museum.
Vor unserem 753 Meter hohen Hausberg Montgó werden Tiere und Menschen eigenständig, wenn auch meist wenig artgerecht, dargestellt.

So aber kommunizieren sie besonders gut. Neckisch sind die Objekte allemal.

Das im Hintergrund erahnbare Wahrzeichen Montgó versinkt hier – zwischen Dénia und dem acht Kilometer südlichen Xàbia – als Überrest der Betic-Gebirgszüge im Meer. Bei Ibiza und Formentera taucht seine Fortsetzung wieder auf.

Geologen erklären den mächtigen Brocken aus dem Zusammenprall der afrikanischen und der europäischen Zentralplatte. In „seinen“ Meerestiefen leben die köstlichen Gambas Rojas.
Bei den Fallas darf jede Gestalt so sein wie ihr Schöpfer es will, wie diese aufreizende Seejungfrau der mittelmeerischen Tiefen der Montgó-Fortsetzung. Der Spielraum für individuelle Interpretationen der Kunstobjekte ist für Betrachter groß.

Recht spanisch, zumindest valenciano, meinen wir.
Manche Spezies bedarf wohl keiner Interpretation
Erst recht wenn man so sexy ist
Nur ein spanischer Politiker?
Solch vertraute Klischee-Darstellungen finden hierzulande weitgehend unkomplizierte Beachtung. Erst recht wenn sie sich mit unrühmlichen Erobererzeiten der spanischen Krone auseinandersetzen.
Schönes Pendant zu zahlreichen hellen femininen Fallas-Darstellungen
Diese Schöpfung demonstriert die globale Menschenfamilie sympathisch mit den klischeehaften Darstellungen ihrer vielfältigen Völker
Auch die unübersehbare Iglesia ist im Boot
Die Fallas mit ihren Bruderschaften (hermanidades) sind ein gesellschaftliches Ereignis. Mädchen wie Buben sind von Kindesbeinen an in die traditionellen Bräuche und Umgangsformen eingebunden.
Stolz und „gesundes Selbstbewusstsein“ sind spürbar
Der spontan kritische Blick in die Kamera verwandelt sich danach schnell in ein Lächeln
Bei jung und alt feiert Ausgelassenheit mit
Toleranz reicht bis in die Haarspitzen
In diesen Tagen stehen die Falleras im Rampenlicht
Bestens betreute behinderte Bürger der Stadt genießen die Sonne und die „Primera linea“ für eine bevorstehende Parade
Zum ersten Mal sehen wir dunkle in Schokolade getauchte Churros, ein sonst helles frittiertes Spritzgebäck

Zu Trompeten, Posaunen und Trommeln tanzende Falleras in ihren kostbaren Kostümen

Wir stärken uns nach all den immer wieder neuen Eindrücken mit einer Fideuà bei Alfonso im L‘ Anfora. Sie schmeckt immer noch genau so wie einst bei Vater Pascual.

Ist die Nudel-Paella vielleicht als tolerantes Zugeständnis übermächtiger valencianischer Reisliebhaber an Pastafans entstanden … kommt uns in den Sinn
Auch der hausgemachte Flan (casera) ist essbare gute spanische Tradition, einfach und dabei köstlich
Bei der Tarta de Queso geraten die alten Rezepte leider in Vergessenheit. Das jetzt cremige Ereignis findet im Glas statt. Der Genuss allerdings entschädigt.
Ella tiene hambre“ sagt der aus Algerien stammende langjährig tätige Oberkellner. Natürlich lassen wir die spanische Türkentaube von unseren Erdnüssen naschen.
Laut Las Provincias vom nächsten Tag hat die Cremà um Punkt Mitternacht alle begeistert. Die am Naturpark Montgó und andernorts feuergeübten Bomberos hatten die Flammen bestens unter Kontrolle. Die Palmen wurden wie immer mit Wasser gekühlt.

Anstatt der artgerecht anpassungsfähigen und geflohenen Türkentauben schweben im Titelbild imaginäre Palomas blancas über den kunstgerecht gelegten Feuersbrünsten.

Vielleicht trägt die Freude am Zündeln doch ein bisschen zu den zahlreichen Waldbränden im Sommer bei?
Anderntags ist alles vorbei und – wie hier auf dem Campo bei Paco Moncho um die Ecke – nichts mehr zu sehen. Den Reinigungsdiensten gilt uneingeschränkte Hochachtung.
Die kleinen alltäglichen „jodas“ bleiben natürlich.

Hier: Wie kann man nur die WC-Benutzung auf seine Champagner-Klienten beschränken?
Unweit bei der alten Lonja erinnern wir uns, wie Jugendliche den jetzt zur mahnenden Kunst verarbeiteten Unrat aus dem Hafen ertauchten
Unwohl ist uns bei diesem wunderschönen Katamaran
Die Aufschrift „European Regional Development Fund“ macht stutzig: Was gibt es wohl hier von der andalusischen Regierung (Junta de Andalucía) in einem Hafen des Landes Valencia regional zu entwickeln?
Da brechen wir lieber noch eine Lanze für die Finnwale. Sie brauchen auf ihrem Weg zwischen Ibiza und Dénia zur Meerenge von Gibraltar dringend Schutz. Neue Bemalungen von Touristenbooten helfen wenig und suggerieren spektakuläres Whale Watching.

Sin duda, sin embargo:

¡Viva las Fallas!