Unser alternativer Jakobsweg nach Spanien (V)

Stationen zwischen dem Starnberger See und Dénia

Folge 5: Kleines Fotoshooting oder La vie quoditienne à Sète

Aber zuerst eine kleine Anregung für unseren täglichen Alltag:

„Es ist für mich vollkommen überflüssig zu wissen,
was ich nicht ändern kann.“ 

Diese Erkenntnis des Sètois Paul Valéry, bedeutender philosophischer Autor und Lyriker des 20. Jahrhunderts, enthält für HDM eine durchaus bemerkenswerte Lebens- und Überlebensweisheit. 

Mit ihr ausgerüstet kann man in einer recht komplex gewordenen Welt ein kleines persönliches Entscheidungsmodell bauen. Im Widerspruch zum derzeit besonders strapazierten Mitbestimmungs- und Demokratiegefasel  kann der Einzelne wenig beeinflussen, geschweige denn steuern. Wenn er dies auch im um sich greifenden Populismus zu können glaubt.

HDMs Schlussfolgerung aus Valérys Bekenntnis zur Ignoranz des Überflüssigen:

Die Gegebenheiten um uns herum sind kurz- und mittelfristig weitgehend fix und unbeeinflussbar. Wird uns das Gegenteil eingeredet, oder tun wir dies selbst, erscheint unser Lebensumfeld komplexer und komplizierter als es in Wirklichkeit ist. Die viel beschworene und wünschenswerte Lebensqualität verbessert dies sicherlich nicht.

Reduzieren wir nun das Drumherum um diese fixen ohnehin unveränderbaren Parameter wird unser Lebensumfeld bedeutend transparenter. Eine persönlicher Datenkranz relevanter mir wichtiger Dinge kristallisiert sich beinahe spielend heraus. Er wird zum vereinfachten Startpunkt für die Lösung kleiner oder größerer Herausforderungen des täglichen Lebens.

Prioritäten werden so transparent und leichter entscheidungsfähig. Vielleicht ist dies ein Schlüssel zum sprichwörtlichen Savoir Vivre des Midis Paul Valérys. Auch am mediterranen Zielort unseres alternativen Camino im Land Valencia erleben wir diese wohltuende Läuterung. Das spanische mañana und das Gelassenheit empfehlende tranquilo gehören hierher.

Die Analyse und Bestimmung der tatsächlich beeinflussbaren, im konkreten Fall relevanten sowie prioritären Parameter macht sich unser Managementprozess des Marketing seit langem fachlich zunutze. Auch seien dem interessierten Leser in diesem Zusammenhang die 20 Manager-Beliefs empfohlen.

Der Managementprozess des Marketing

20 HDM-Beliefs des guten Managers

Natürlich gibt´s für das Savoir Vivre des Midi à la Sète auch eine sehr einfache alternative Erklärung: Man denkt, zumindest im Augenblick, einfach nicht groß drüber nach – womit wir recht burschikos beim berühmten „laisser faire, laisser aller“ wären …

In Sète habe ich dazu folgendes Motiv gefunden:

Natürlich gehören auch solche kleinen „lebensphilosophischen“ Überlegungen ein bisserl zum Wesen und Content eines Camino. Aber zurück zu Sète und Paul Valéry:

Sein legendäres Gedicht Cimetière Marin gab dem schönsten Friedhof der Stadt den Namen und dort ist er begraben. Hier die ersten Zeilen, die Übersetzung stammt von keinem Geringeren als Rainer Maria Rilke:

Le Cimetière marin

Ce toit tranquille, où marchent des colombes, 

Entre les pins palpite, entre les tombes;

Midi le juste y compose de feux 

La mer, la mer, toujours recommencée 

Ô récompense après une pensée 

Qu’un long regard sur le calme des dieux ! 

Der Friedhof am Meer

Dies stille Dach, auf dem sich Tauben finden,

scheint Grab und Pinie schwingend zu verbinden.

Gerechter Mittag überflammt es nun.

Das Meer, das Meer, ein immer neues Schenken!

O, die Belohnung, nach dem langen Denken

ein langes Hinschaun auf der Götter Ruhn!

http://www.rilke.de/forum/viewtopic.php?t=5349#p17064

Eine lustige Randnotiz: Der besonders interessierte Leser sei bei seiner Recherche nicht erstaunt, dass in der offiziösen deutschen Sète-Tourismus-Seite die dritte Zeile leider fehlt. Rilke allerdings trifft keine Schuld.

Ein weiteres Beispiel symphatischer Verbundenheit mit der Stadt:

Während Valéry mit seinem Langgedicht seine Ruhestätte Cimetière Marin in die Lyrik einführte ruht der Sèter Chansonnier Georges Brassens auf dem Friedhof Le Py vis-à-vis „seines“ Museums Espace Brassens. Aber vor allem unweit vom Strand, wo er sich in seinem Chanson eine kleine Nische wünschte. Hier ein Auszug nebst Übersetzung:

Supplique pour être enterré à la plage de Sète 

Lorsque mon âme et lui ne seront plus d’accord

Que sur un seul point, la rupture

Quand mon âme aura pris son vol à l’horizon

Vers celle de Gavroche et de Mimi Pinson

Celles des titis, des grisettes

Que vers le sol natal mon corps soit ramené

Dans un sleeping du Paris-Méditerranée

Terminus en gare de Sète

Mon caveau de famille, hélas! n’est pas tout neuf

Vulgairement parlant, il est plein comme un œuf

Et d’ici que quelqu’un n’en sorte

Il risque de se faire tard et je ne peux

Dire à ces braves gens, poussez-vous donc un peu

Place aux jeunes en quelque sorte

Juste au bord de la mer à deux pas des flots bleus

Creusez si c’est possible un petit trou moelleux

Une bonne petite niche

Auprès de mes amis d’enfance, les dauphins

Le long de cette grève où le sable est si fin

Sur la plage de la corniche

https://www.youtube.com/watch?v=iS46IzvCemI

Gesuch am Strand von Sète begraben zu werden

Wenn meine Seele ihren Flug begonnen hat zum Horizont,

Dem von Gavroche und Mimi Pinson,

Dem der Straßenjungen und Grisetten,

Dann möge mein Körper zum heimatlichen Boden

In einem Schlafwagen Paris-Mittelmeer gebracht werden

Mit Endstation im Bahnhof von Sète.

Mein Familiengrab, ach, ist nicht ganz neu,

Grob gesagt, ist es voll wie ein Ei

Und dass jetzt noch einer es verlässt,

Der wäre wohl spät dran, und ich kann

Doch den guten Leuten nicht sagen: Rückt mal ein bisschen,

gewissermaßen: Jetzt Platz für die Jungen!

Genau am Meeressaum, zwei Schritte von den blauen Wellen entfernt,

Grabt, wenn’s möglich ist, ein kleines, weiches Loch,

Eine nette kleine Nische.

Bei den Delphinen, meinen Freunden der Kindertage,

Entlang dieses Meeressaums, wo der Sand so fein ist,

Auf dem Strand der Corniche.

https://lyricstranslate.com/de/supplique-pour-être-enterré-à-la-plage-de-sète-gesuch-am-strand-von-sète-begraben-zu-werd.html

Im Folgenden nun meine eigene visualisierende Art die Begeisterung für Sète und seine Menschen. Bildliche Ereignisse ergeben sich hier wie von selbst. Für ein authentisches Fotoshooting einfach drauf  halten – soweit datenrechtlich geziemend.

Beinahe auf den Tag genau
Beschaulichkeit vor acht Jahren – jetzt aber mit Hund

Immer in der ersten Reihe … wie in Santiago de Compostela

Wortwörtlicher LEBENSMITTELPUNKT MARCHÉ

Auch das schon nahe Spanien ist vertreten. Das Händlerpaar fühlt sich im geistig freieren Midi besonders wohl

Am frühen Morgen Chez Boule

Diesmal treffen wir endlich
den vielfältig begabten Schuster mit seinem gesunden Marketing-Menschen-Verstand

Ergiebiger LEBENSMITTELPUNKT Straße

Auch Dior & Co beleben die Stadt

Faszination und Beschaulichkeit allerorts – selbst der Maschenzaun stört uns nicht

In der nächsten Folge VI wird nachgeholt
was ich vor lauter Begeisterung für Sète vergessen habe:
Erinnerungen an die Camargue und Tartarin de Tarascon,
einen alten Schulfreund. Vielleicht kennen Sie ihn auch?

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